„Myco Lab“ − Labor für Pilzwerkstoffe
![[Bild: HFT Stuttgart]](/fileadmin/Dateien/Architektur-Gestaltung/_processed_/c/e/csm_231009_1pm_mycelium_alea_Acker-Melissa_112_blau_2e400af517.jpg)
Flucht in den Schatten | Architektur-Biennale 2025
Parallel zur 19. Internationalen Architekturausstellung – La Biennale di Venezia lädt der Salone Verde art & social club zu einem „Workshop for cool Cities“ ein. Die lokale Erwärmung der Städte aufgrund des Klimawandels und der verstärkten Urbanisierung wird derzeit viel diskutiert. Zwei Installationen untersuchen die Frage „Wie können wir mit der Hitze leben?“ aus unterschiedlichen Perspektiven:
„Hitze ist ein psychologisches Problem“
von der Künstlerin Antje Schiffers - mit traditionellen Textilien aus Mali, Marokko, Anatolien und Usbekistan, die zu einer langsameren, energiesparenden Lebensweise einladen.
„Flucht in den Schatten“
von der Universität Stuttgart, der HFT Stuttgart (Innenarchitektur) und der Technischen Hochschule Deggendorf - mit Strukturen aus Myzel, um Architektur als eine Form ökologischer Intelligenz zu erforschen.
Myzelbasierte Baustoffe haben von Natur aus eine geringe Wärmeleitfähigkeit und Wärmespeicherkapazität aus. In urbanen Gebieten können sie die tagsüber absorbierte Wärmemenge reduzieren und die nächtliche Wärmestrahlung verringern. Im Gegensatz zu Holz wächst Myzel innerhalb weniger Tage. Seine weiße Myzelhaut reflektiert Sonnenlicht auf natürliche Weise und ermöglicht damit hohe Albedo-Werte. Die Struktur entsteht, indem man Textilien mit einer dünnflüssigen Myzelpaste verfestigt und in einer speziellen Laborumgebung wachsen lässt.
Die Ausstellung bringt Perspektiven aus Architektur, Design, Technik und Kunst zusammen. Gemeinsam machen diese akademischen und künstlerischen Stimmen den Salone Verde zu einem Raum, in dem wir zuhören, unser Verständnis vom Leben und Bauen in einer sich rasch erwärmenden Welt hinterfragen und erweitern können.
Kuratiert von: Salone Verde art & social club & Era Merkuri
Sound: Marc Vogler
Weitere Informationen:
Pressemitteilung
Einladung Eröffnung 10.5.
Seit 2023 wird im Studiengang Innenarchitektur an der HFT Stuttgart in unterschiedlichen Formaten mit Pilzmyzel als nachhaltigem Werkstoff experimentiert. Initiiert und geleitet wird das eigens dafür eingerichtete Myco Lab – Labor für Pilzwerkstoffe von der akademischen Mitarbeiterin Melissa Acker. Das improvisierte Forschungslabor bietet Raum für die Entwicklung und Erprobung neuartiger Baustoffe auf Myzelbasis und ermöglicht Studierenden einen praxisnahen, niedrigschwelligen Zugang zur Kultivierung und Verarbeitung von Pilzmyzel.
Seither wurden mehrere Lehrforschungsformate umgesetzt. Den Auftakt bildete das Semesterprojekt Mycelium Model Making, in dem untersucht wurde, wie sich Myzel im architektonischen Modellbau einsetzen lässt. Im Zentrum stand die Frage, ob hochschulinterne Abfallstoffe wie Sägespäne oder Kartonreste als Nährsubstrat nutzbar sind. Die Ergebnisse wurden in einem Waste Stream Catalog dokumentiert und bilden die Grundlage für weitere Materialstudien. Geleitet wurde das Projekt von Melissa Acker in Kooperation mit Julia Krayer und Lina Vieres vom Fraunhofer UMSICHT und Miriam Josi von aléa.
Im darauffolgenden Seminar Mycelium Surface & Furniture Design standen die ästhetischen und funktionalen Eigenschaften vorgefertigter Myzelplatten im Fokus. Ziel war es, schallabsorbierende Raumteiler zu gestalten. Studierende experimentierten mit verschiedenen Bearbeitungs- und Fügemethoden sowie natürlichen Oberflächenveredelungen. Die entstandenen Objekte kombinieren Myzel als akustisch wirksame Oberfläche mit filigranen Holzkonstruktionen. Das Projekt wurde von Prof. Diane Ziegler und Melissa Acker betreut und entstand in Kooperation mit der Schule für Farbe und Gestaltung Stuttgart-Feuerbach sowie den Unternehmen Grown Bio und Mogu.
Im Rahmen dieser Zusammenarbeit entstand auch der Kontakt zum FuMaLab (Future Materials Lab) der Universität Stuttgart. Aus gegenseitigen Besuchen entwickelte sich ein gemeinsamer Vortragsabend, bei dem Michela Grisa von Mogu als Gastrednerin Einblicke in die Materialentwicklung und Kommerzialisierung von Myzel-Akustikpaneelen gab.
Auch beim HFT Hanfbausymposium 2024 wurde Myzel thematisiert. Im Fokus stand das gestalterische und konstruktive Zusammenspiel von Hanfschäben in Kombination mit Lehm, Geopolymeren und Myzel. Melissa Ackers Vortrag Hanf + Myzel beleuchtete die Eigenschaften und Chancen dieses biobasierten Kompositmaterials: als CO₂-negatives Bindemittel für Hanfschäben – etwa als Alternative zu Kalk – bietet es ein enormes Potenzial für die Entwicklung zukunftsfähiger Baustoffe. In einem Workshop wurden Prüfkörper aus verschiedenen Pilzarten und Hanfsubstraten hergestellt, orientiert am Carazas-Test aus dem Lehmbau. Die Versuche bestätigten die Eignung von Hanf als Substrat und unterstrichen die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Myzel im nachhaltigen Bauen.
Die bisherigen Projekte zeigen, dass Myzel als Material interdisziplinär vermittelbar ist – es verbindet Architektur, Design, Materialforschung und Umweltfragen und eignet sich hervorragend für eine experimentelle, forschungsorientierte Lehre. Es hat sich als anschauliches Medium für Wissensvermittlung und -transfer erwiesen und eröffnet vielfältige Möglichkeiten, komplexe Zusammenhänge rund um Nachhaltigkeit, Kreislaufprinzipien und materialökologische Gestaltung greifbar zu machen. Diese Erkenntnisse finden nun auch ihren Ausdruck im internationalen Rahmen: Mit der Ausstellung „Flucht in den Schatten“ im Salone Verde wird dieser Wissenstransfer weitergeführt und in einen größeren, transdisziplinären Diskurs eingebettet.
Acker, M. (in Druck). Mycelium Model Making - Biological composites as an alternative to polystyrene foams for architectural model making. In Verbeeck G., Knapen E., Winkels P. (eds.). Proceedings of Building Beyond Borders Symposium 2025. The Power of Reciprocity. February 6-7, 2025, Hasselt.
BauNetz (2024). Pilze statt Polystyrol: Mycel Model Making. Baunetz CAMPUS.
Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure e.V. (2024). Semesterentwürfe mit Pilzymyzel. In: DBZ DeutscheBauzeitschrift 04/2024, S. 18.
Mycelium Resources (2024). Mycelium Model Making
Gewinn des Closing the Circle Award (Kategorie Innovation): The Exhibition Pavilion, Janina Lamm.
competitionline CAMPUS Award 2025: Engere Wahl Fakultätsprojekte "Mycelium Model Making"
Der Studiengang Innenarchitektur der HFT Stuttgart verbindet künstlerische Gestaltung mit technischer Umsetzbarkeit. Studierende lernen, Räume, Möbel und temporäre Bauten unter Berücksichtigung von Funktion, Material und Licht zu gestalten. Das Studium fördert interdisziplinäre Teamfähigkeit, eigenständiges Arbeiten, Präsentationsstärke und interkulturelles Verständnis. Der Bachelor-Abschluss kann durch ein Master-Studium ergänzt werden.