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»Protest/Architektur – Architektur-Dioramen von Protestcamps« wird beim competitionline CAMPUS Award 2024 mit dem Preis in der Kategorie »Fakultätsprojekte« ausgezeichnet

Studierende der Architektur und Innenarchitektur konservieren flüchtige Architekturen in ultrarealistischen Dioramen

Anlässlich der Ausstellung »Protest/Architektur – Barrikaden, Camps, Sekundenkleber« im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt am Main untersuchten Studierende des Bachelor-Studiengangs Architektur der TU München (WiSe 2022/23) sowie Gaststudierende des Bachelor- und Master-Studiengangs Innenarchitektur der HFT Stuttgart (SoSe 2023) unter der Leitung von Professor Andreas Kretzer bauliche Strukturen, in denen sich Protest räumlich manifestiert.

Mit detektivisch-forensischem Blick wurde der »Tatort« Protestcamp wörtlich genommen und aufwendige Spurensuche betrieben, um visuelle Charakteristika in das Architekturmodell zu überführen. Planzeichnungen existierten nur spärlich oder gar nicht und mussten aus Fotografien neu bzw. rekonstruiert werden, da die Studienobjekte größtenteils nicht mehr existieren. Als Ergebnis dieser Spurensuche entstanden neun detailreiche Architektur-Dioramen ausgewählter Protestarchitekturen als Exponate im Maßstab 1:10.

Entwerfen ist eine Serie richtiger Entscheidungen – in diesem Fall bei der Übersetzung in den Modellmaßstab. Dabei kamen szenografische Arbeitsweisen zum Einsatz. Welcher Zeitpunkt bzw. welches Zeitfenster (baulicher Zustand im Verlauf des Protests, Jahreszeit, Wetter) wird gewählt? Welche Szenografie und welcher Ausschnitt sind signifikant für die Protestarchitektur? Welche Bauten sind signature buildings und waren medial besonders präsent und prägend?

Pars pro toto – der Ausschnitt wird zur Bühne und dreidimensionalen Konserve. Wie im Film spielt das Off auch im Closeup mit, muss deshalb mitgedacht werden und in den Modellraum hineinwirken. Verdichten, aber nichts dazu erfinden. Zentrale Elemente des Protests – Menschen, Bewegung, Geräusche – fehlen. Props sind die Protagonisten der Szene und werden sorgfältig komponiert. Im Unterschied zu gewöhnlichen Entwürfen werden benutzte Strukturen (Patina, Korrosion, Schmutz) und Spuren menschlicher Handlungen zum Thema.

Durch den hohen Improvisationsgrad mit Ready-mades und die Aneignung des Vorhandenen (Stadtmöbel, Straßenlaternen etc) setzten sich die Studierenden mit anonymen, experimentellen und temporären Bauten sowie besonderen Formen des Re-Use auseinander und reproduzierten deren Entstehungsprozess en miniature. Auf diesem Weg entdeckten sie, dass auch Proteste gestaltet werden, ihre eigene Architektursprache entwickeln und als Selbstdarsteller für die Kamera posieren: Zeichen, Gesten und Symbole.

Text: Andreas Kretzer

Wir gratulieren zu diesem Erfolg!

Nachdem die Ausstellung zuvor im DAM – Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main zu sehen war, ist sie ab 14. Februar bis 25. August 2024 im MAK, Museum für angewandte Kunst, Wien zu sehen.
www.mak.at/protestarchitektur

Weitere Informationen zum Wettbewerb
https://www.competitionline.com/de/news

News-Beitrag der Fakultät Architektur und Gestaltung zur Ausstellung
hft-stuttgart.de/architektur-und-gestaltung/news

In diesem Jahr orientieren sich die eingereichten Projekte noch stärker am Puls der Zeit. Die inhaltliche Ausrichtung der Entwürfe unterstreicht eine Tendenz in der Architekturlehre: gesellschaftliche Themen und der Bezug zu aktuellen Fragestellungen nehmen einen höheren Stellenwert ein – »raus aus dem Elfenbeinturm«. Für die Relevanz des Architekturschaffens lässt dieser Perspektivwechsel viel Positives erwarten.

Nach intensiver Diskussion entschied sich die Jury, den Preis in der Kategorie »Fakultätsprojekte« an das Projekt »Protest/Architektur – Architektur-Dioramen von Protestcamps« zu vergeben. »Die Ausstellung ist ein Spiegel unserer Zeit«, so Innenarchitekturprofessor Oliver Hantke. Die Jury lobt, dass ein aktuelles gesellschaftliches Thema in der Lehre thematisiert wurde.

Beurteilung durch das Preisgericht
»Die Arbeit dokumentiert bis ins kleinste Detail, welche Strukturen und Architekturen entstehen, wenn Protest räumlich übersetzt wird«, sagt Ramona Schwertfeger. Die Protestcamps sind laut Jury auf eine ursprüngliche Form der Architektur reduziert, die sich auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse beschränkt. So entstünden einzigartige räumliche Situationen. »Die Studierenden haben auf beeindruckende Weise Momente eingefangen, in denen die Protestcamps den Stadtraum verändert haben«, sagt Max Malte Messner. Die Ausstellung demonstriere, wie sich Menschen den öffentlichen Raum aneignen und als temporären Lebensraum umwidmen, um durch räumliche Präsenz auf Missstände aufmerksam zu machen. »Dieser Aspekt macht das Projekt besonders zeitgemäß und relevant«, betont Petra Vondenhof-Anderhalten.

Quelle: www.competitionline.com

Beteiligte Studierende Technische Universität München
Henry Höcherl, Lukas Müller, Tuvanna Gül, Maria Karaivanova, Todor Rusev, Selin Uyarlar, Laurie Castella, Mathilde Larose, Nini Huang, Tang Yishui, Xu Xiaoru, Juliana Baumgart und Anggiolina Garcia

Beteiligte Studierende Hochschule für Technik Stuttgart
Gamze Ceylan, Beyza Günaydin, Christina Krammer, Alexandra Delgado Reboll, Müge Özkan, Nazlican Yesilyurt, Tanushree Arya, Billur Duru, Sayali Khadse, Annet Thomas, Revna Elif Çelik, Stefan-Alin Fulop, Iulia-Alexia Hent und Ceren Ìzgi

 

Veröffentlichungsdatum: 25. Januar 2024