Ganz gleich ob Mobilität und Energieversorgung oder Quartiersentwicklung und Bürgerbeteiligung. Am Ende geht es darum, Städte und den ländlichen Raum lebenswerter, vernetzter und resilienter zu gestalten – im Sinne des Menschen.

Keine leichte Aufgabe vor dem Hintergrund des Klimawandelns. Dass die Wissenschaft hierbei eine wichtige Brücke schlagen kann, das zeigt sich im Interview mit Prof. Dr. Uta Bronner. Die Wirtschaftspsychologin an der HFT Stuttgart ist sich sicher: Wissenschaft kann dazu beitragen, dass Themen in ihrem komplexen Zusammenspiel betrachtet werden.

Der Begriff Transfer ist vielfach besetzt und bleibt doch oft unklar. Was verstehen Sie im Rahmen Ihrer Arbeit unter diesem Schlagwort?

Uta Bronner
: Wir definieren den Begriff relativ breit. Wissens- und Technologietransfer ist für uns der Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse, Innovationen und Lösungen zwischen allen Wissenschaftsbereichen der Hochschule und den Feldern der Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur. Der Fokus liegt dabei auf der aktiven Mitgestaltung der erforderlichen ökologischen, ökonomischen und sozialen Transformationen in der Metropolregion Stuttgart.

Haben Sie ein konkretes Beispiel der Transferarbeit an der HFT Stuttgart?

Uta Bronner
: In vielen Forschungsprojekten mit direktem Anwendungsbezug findet ein Wissens- und auch Technologietransfer statt. Beispielsweise wird in unserem größten transdisziplinären Forschungsprojekt „iCity“ mit mehr als 45 Praxispartnern an konkreten innovativen Lösungen zur Entwicklung effizienter Energie-, Gebäude- und Mobilitätssysteme in Quartieren gearbeitet. Durch die enge Kooperation mit Unternehmen können die Erkenntnisse aus den Projekten direkt in deren Entwicklungsprozesse einfließen. Gleichzeitig unterstützen wir aktiv den Wissenstransfer zwischen den Forschenden sowie Vertreterinnen und Vertretern aus der Praxis, unter anderem durch Dialogforen. Mittels innovativer Formate des Austauschs diskutieren wir mit Expertinnen und Experten aus Unternehmen und Kommunen die Forschungsergebnisse.

Prof. Uta Bronner

Mittels innovativer Formate des Austauschs diskutieren wir mit Expertinnen und Experten aus Unternehmen und Kommunen die Forschungsergebnisse

 

Nun ist die Theorie das eine, der konkrete Praxisbezug und noch mehr das Etablieren wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Außenwelt etwas anderes. Mit welchen Ansätzen gelingt es, eine engere Verzahnung von Theorie und Praxis umzusetzen und somit den Wissenstransfer stärker zu befruchten?

Uta Bronner:
Im Laufe der letzten Jahre haben wir gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart eine ganze Reihe von Vernetzungsformaten erarbeitet, die den Austausch zwischen der Hochschule und Praxispartnerinnen und -partnern fördern. Hierzu zählen unter anderem Dialogforen, runde Tische als Expertenformate und Großformate wie die Veranstaltung „Zukunft Bauen“ oder „HFTmeetsIBA“. Dabei steht die gemeinsame Diskussion innovativer Ansätze im Bereich urbaner Transformation im Mittelpunkt. Daneben gehen wir aber auch direkt in Stadtquartiere, um dort vor Ort gemeinsam mit Anwohnerinne und Anwohnern, Bürgerinitiativen und der Verwaltung Lösungen für lebenswerte, zukunftsfähige Quartiere zu gestalten.

Bleiben wir noch einen Moment beim Wissenstransfer. Potenzielle Studierende haben heute eine Fülle an Möglichkeiten, um an Hochschulen zu studieren. Was macht Ihrer Meinung nach die HFT Stuttgart zu einem bevorzugten Ort für die Wissenschaft und Lehre?

Uta Bronner:
Wir befassen uns in unserer Forschung mit Themen, die eine hohe Relevanz für die gesellschaftliche Transformation unserer Metropolregionen haben. Dies umfasst Bereiche der nachhaltigen Stadtentwicklung auf vielen Ebenen. Hierbei geht es beispielsweise um die Gestaltung energetischer Quartierskonzepte, ganzheitlicher Mobilitätslösungen, urbaner Simulationen, aber auch um die Akzeptanz neuer Technologien. Dies alles sind Themen, die für jeden von uns bei einem sich verschärfenden Klimawandel von hoher Relevanz sind. Durch die Einbeziehung in solche transdisziplinären Forschungsprojekte über verschiedene Lehrformate, wie exemplarisch in den Studiengängen Stadtplanung, Wirtschaftspsychologie, Bauphysik oder auch Geoinformatik werden Studierende früh an diese „sinnstiftenden“ Themen herangeführt. Gleichzeitig erfahren sie von den Gestaltungsmöglichkeiten in diesen Feldern. Ich denke, jeder Studierende ist daran interessiert, die Zukunft in gesellschaftsrelevanten Bereichen mitzugestalten. Dies ist an unserer Hochschule in vielerlei Hinsicht möglich.

Prof. Uta Bronner

Wir befassen uns in unserer Forschung mit Themen, die eine hohe Relevanz für die gesellschaftliche Transformation unserer Metropolregionen haben

Bei allen digitalen Ideen und Möglichkeiten hat die analoge Welt stets auch ihre Daseinsberechtigung. Wie schlagen Sie mit Ihren Transfervorhaben in die Brücke zwischen dem digitalen Tun und dem Wunsch der Menschen nach echter Kommunikation und dem direkten Austausch vor Ort?

Uta Bronner:
Digitale Lösungen finden oft erst eine breite Akzeptanz, wenn ein realer Austausch in Präsenz stattfindet. Dies ist im Bereich der urbanen Transformation beispielsweise über unseren Smart-City-Demonstrator möglich. Dahinter steht ein Touch Table, an dem 3D-Stadtmodelle simuliert und visuell erlebbar werden. Zugleich lässt sich mittels eines solchen Tischs inhaltlich über konkrete Planungsprozesse diskutieren. Diese Kombination eines digitalen und direkten Austauschs hilft, Planungskonzepte für Kommunen und Bürgerinnen und Bürger greifbarer zu machen.

Prof. Uta Bronner

Digitale Lösungen finden oft erst eine breite Akzeptanz, wenn ein realer Austausch in Präsenz stattfindet

Wissen neu denken heißt auch, neue Wege einschlagen. Nehmen Sie uns doch kurz mit auf einen dieser Wege und skizzieren Sie das Neue daran.

Uta Bronner:
Kunst ist für die Wissenschaft wichtig, weil sie im besonderen Maße in der Lage ist, gesellschaftliche Strömungen, Veränderungen oder Umbrüche aufzunehmen oder vorwegzunehmen und diese durch ihre eigene Ästhetik so darzustellen, dass sie individuell, persönlich und emotional für die Öffentlichkeit erlebbar werden. Aus diesem Grund wollen wir den Wissens- und Technologietransfer über die Verknüpfung von Kunst und Forschung zum Thema resiliente Metropolregion in Form von Aktionen in der Stadt sicherstellen. Die künstlerische Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen adressiert in hohem Maße die gesellschaftliche Teilhabe, ermöglicht niederschwellig Themen neu zu erleben und soll so zur Stärkung der Innovationsfähigkeit beitragen.

Wenn Sie nach vorne blicken. Welche Blickwinkel und Aspekte muss die Wissenschaft aus Ihrer Sicht zukünftig stärker in den Fokus rücken und welchen Wertbeitrag kann die Transferarbeit in diesem Zuge leisten?

Uta Bronner:
Wir stehen gesellschaftlich vor gigantischen Herausforderungen im technischen, ökonomischen, aber auch im sozialen Bereich. Die Wissenschaft kann dazu beitragen, dass Themen in ihrem komplexen Zusammenspiel betrachtet werden. Dies erfordert Offenheit und jede Menge Austausch über Disziplinen und Gesellschaftsgruppen hinweg. Wir als HFT Stuttgart bemühen uns, diesen Austausch über verschiedene Formate zu beleben. In unseren Projekten, wie zum Beispiel dem eingangs erwähnten Projekt iCity, bleibt es dabei nicht bei rein technischen Lösungen. Das zeigen wir unter anderem durch das Einbeziehen weiterer Disziplinen, wie der Akzeptanzforschung. Gerade die Vielfalt der Perspektiven schafft einen hohen Wertbeitrag.

Dr. Uta Bronner ist Professorin im Studiengang Wirtschaftspsychologie mit dem Fachgebiet Human Resources Management an der HFT Stuttgart. (Bild: HFT Stuttgart/Uta Bronner)

Das Interview ist unter dem Titel: „Digitale Lösungen brauchen realen Austausch in Präsenz“ in der Ausgabe Juni/Juli 2022 des Fachmagazins Wissensmanagement erschienen.

Veröffentlichungsdatum: 17. Juni 2022
Von Andreas Eicher (andreas.eicher@hft-stuttgart.de)