Wie professionalisieren wir die Wissenschaftskommunikation? Das war die Kernfrage der Online-Konferenz Wisskomm:Lab an der HFT Stuttgart. An die 100 Teilnehmende aus Hochschulen und Universitäten von Stuttgart bis Bremerhaven erhielten Impulse von renommierten Expert:innen, reflektierten und diskutierten Strukturen, Rollen und Anreize der Wissenschaftskommunikation. Organisiert hat die Veranstaltung das M4_LAB der HFT Stuttgart im Rahmen der Bund-Länder-Förderinitiative „Innovative Hochschule“.
Ziel der Veranstaltung war es, brennende Themen zur Wissenschaftskommunikation zu teilen und sich mit anderen Hochschulen und Universitäten auszutauschen.
„Ich bin total begeistert, auf wie viel Resonanz diese Online-Tagung stößt“, sagte Cordula Kleidt, Referatsleiterin im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjahre in ihrem Grußwort. „Transfer bedeutet nach unserem Verständnis nicht nur Transfer in die Wirtschaft, sondern vor allem auch die Gesellschaft mitzunehmen und darüber in den Austausch zu gehen,“ sagte sie. Als vorbildliches Beispiel nannte sie das Projekt Science Bench des Hochschulverbundes Trio. Hier setzen sich Forschende auf eine Bank mit Bürger:innen und diskutierten mit ihnen über die Energiewende auf Augenhöhe. Gute Wissenschaftskommunikation ist am Gemeinwohl orientiert, so Cordula Kleidt. Sie rief dazu auf, eine wissenschaftskommunikation-freundliche Kultur zu schaffen und wies auf die praktischen Handlungsempfehlungen der Denkfabrik #Factory Wisskomm hin.
Weitere Grußworte sprachen die Rektorin der HFT Stuttgart, Prof. Katja Rade und die Gesamtleitung M4_LAB der HFT Stuttgart, Prof. Uta Bronner. Rektorin Rade ging auf die Bedeutung der Wissenschaftskommunikation ein und den Anspruch der Gesellschaft zu erfahren, an welchen Innovationen und Lösungen Hochschulen und Universitäten arbeiten. Gerade Hochschulen der angewandten Wissenschaften hätten hier viel zu bieten. Uta Bronner wies auf das Thema Transfer ein: „Wir durften feststellen, dass die Wissenschaftskommunikation, wenn sie professionell betrieben wird, ein wunderbares Instrument ist, um bei Forschenden die Skepsis bezüglich des gefühlt unendlichen Aufwands des Transfers zu nehmen und eine kommunikative Brücke schlagen kann zwischen den Forschenden und der Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur."
Zwei Keynotes zur Weiterentwicklung der Wissenschaftskommunikation an Hochschulen und Institutionen lieferten kritische Impulse als Diskussionsgrundlage. Über das Thema Anerkennung und Reputation für die Wissenschaftskommunikation sprach Julia Wandt, Vorsitzende des Bundesverbandes Hochschulkommunikation. Sie gilt als Pionierin, da sie als Kommunikatorin ganz oben an der Spitze einer Institution steht, nämlich in der Leitung des Geschäftsbereichs Wissenschaftskommunikation und Strategie als Teil der Universitätsleitung an der der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Obwohl sie sich stark professionalisiert habe, sei Wissenschaftskommunikation an manchen Institutionen noch immer nur „nice to have“ oder ein Anhängsel, um das man sich erst am Schluss kümmere. Anerkennung für die Wisskomm sei jedoch auf verschiedenen Ebenen nötig – für Wissenschaftler:innen, aber auch für professionelle Kommunikator:innen, die sie unterstützen. Wissenschaftskommunikation sei mehr als nur „platte PR“ und werde zum Teil noch mit reiner Erfolgskommunikation einer Institution verwechselt.
Die zweite Keynote hielt Ralf Röchert, zuständig für strategische Wissenschaftskommunikation beim Alfred-Wegener-Institut, dem Helmholz-Zentrum für Polar und Meeresforschung in Bremerhaven. Seine Haltung: „Die Wissenschaft muss sich wandeln, wenn sie in einer informationsüberfluteten Gesellschaft um die hart umkämpfte Währung nach Aufmerksamkeit ringt“, sagte er. Statt zu fragen, wie muss die Welt außerhalb der Wissenschaft sein, damit die Wissenschaft verstanden wird, gelte es die Perspektive zu drehen: Was muss die Wissenschaft anbieten, damit die Welt bereit ist, ihr zuzuhören? „Ohne Ressourcen kann die Wissenschaft nicht besser kommunizieren. Aber mehr Geld führt nicht automatisch zu mehr zielorientierter Wissenschaftskommunikation“, schränkte er ein. Er sprach sich für eine sorgfältige Auswahl der Formate an, die auch ein größeres Publikum finden. Qualität habe Vorrang vor Qualität.
Im „britischen Teil“ des Tages diskutierten die Teilnehmenden kontroverse Fragen innerhalb einer „Unterhausdebatte“. Wie im britischen Unterhaus konnten alle Teilnehmenden digital klar Position beziehen mit farbig unterschiedlich Hintergründen, also „Daumen hoch“ und „Daumen runter“. Diskutiert wurden Strukturen, Anreize und Rollen für die Wissenschaftskommunikation. Moderiert wurde das interaktive Format von den Zukunftsreportern Prof. Alexander Mäder und Dr. Rainer Kurlemann. Das Debatten-Format kam gut an: „Mit den roten und grünen Karten ist eine einfache, aber sehr gute Idee um eine Diskussion zu triggern“, lobte eine Teilnehmerin im Chat.
Wie kann die Zusammenarbeit mit Journalist:innen verbessert werden? Dies war ein weiteres Themenfeld des Wisskomm:Lab, das auch Grundlagen vermittelte. Dr. Julia Serong, Kommunikationswissenschaftlerin und Medienwissenschaftlerin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, erläuterte die unterschiedlichen Qualitätskriterien zweier Systeme. Während Wissenschafts-PR (und auch Wissenschaftskommunikation) sich selbst beobachtet und sich selbst darstellt, beobachtet Journalismus das System Wissenschaft von außen und ist also eine Fremddarstellung der Organisation und Akteure. Ein weiterer Unterscheid: Wissenschaft-PR ist gegenüber dem Wissenschaftssystem loyal, Journalismus ordnet unabhängig ein.
Der Wissenschaftsjournalist Volker Stollorz stellte das Science Media Center Germany (SMC) als eine gemeinwohlorientierte und redaktionell unabhängig arbeitende Institution vor, die Medienvertreter:innen mit zuverlässigen Einschätzungen und Zitaten sowie Hintergrundwissen zu relevanten öffentlichkeitswirksamen Themen kostenfrei versorgt. Das SMC liefere den Rohstoff, Zitate und Statements von Wissenschaftler:innen, so SMC-Geschäftsführer Stollorz. Wissenschaftsjournalisten hätten speziell die Kompetenz, gute Expert:innen zu identifizieren und auszuwählen, während der Politikjournalismus nicht nach evidenz-basierten Kriterien vorgeht.
Gudrun Sonnenberg, Redakteurin der DUZ – das Magazin für Wissenschaft und Gesellschaft, griff unter anderem das Thema Zusammenarbeit mit Forschenden auf, die sich in einzelnen Fällen auch schwierig gestalten kann, zum Beispiel in Form von „weichgespülten“ Interviews oder Irritationen durch „laienhaften“ Fragen der Redaktion. Journalist:innen könnten sich jedoch nicht in jedem Fachgebiet auskennen, ebenso wenig wie die Leser:innen. Aufgabe der DUZ sei es, Brücken zu bauen, und die Perspektive der Leser:innen zu berücksichtigen. In einer anschließenden Diskussion wurden Praktiken und Arbeitsweisen des Journalismus behandelt.
Wie kann eine professionellere Wissenschaftskommunikation innerhalb einer Hochschule ganz praktisch aussehen? Philipp Kleiber, Experte für audiovisuelle Medien und Social Media im M4_LAB der HFT Stuttgart, stellte in seinem „Werkstattbericht“ die Arbeit des Teams Wissenschaftskommunikations im M4_LAB dar. Speziell ging es auch darum, wie das interdisziplinär zusammengesetzte Team aus den Bereichen Grafik und Kommunikationsdesign sowie Wissenschafts- und Fachjournalismus Forschende zur Mitarbeit an Kommunikationsthemen gewinnen. Die crossmedialen Aktivitäten des Teams werden geleitet durch strategische Erwägungen – in Bezug auf Ziele und Zielgruppen. Hier hilft dem Team eine Content-Strategie, als Kompass für die eigene Arbeit.
In einem Wisskomm:Barcamp hatten die Teilnehmenden die Chance, ihre eigenen Themen zu behandeln, die sie im Vorfeld eingereicht haben. Folgende selbstgewählte Themenbereiche wurden in verschiedenen digitalen Räumen behandelt:
Das Wisskomm-LAB endete mit einer Betrachtung aus einem ganz anderen Blickwinkel. Visual Performance Artist und Stand-up Comedian Ingrid Wenzel präsentierte die Ergebnisse der Konferenz mit eigenen humorvollen Illustrationen und witzigen Betrachtungen.
Gesamtmoderatorin war Susanne Rytina; das Wisskomm:Barcamp wurde moderiert von Irina Kohlrautz, Ann-Kristin Graumann, Elena Schön und Philipp Kleiber (alle M4_LAB der HFT Stuttgart).
Weitere Informationen zu den Referent:innen finden Sie hier.
Dankeschön für die Einblicke ins M4_LAB-Projekt, die guten Diskussionen und super gewählten ReferentInnen!
Sehr gut organisiert und inhaltlich sehr interessant. Für uns natürlich auch immer ein Benchmark-Prozess, wo wir mit unserer WissKomm stehen, welche Herausforderungen andere haben (die gleichen wie wir… ) und welche Themen in der Vermittlung an die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wichtig sind.
Vielen Dank für den tollen Austausch und die neue Motivation für meine Arbeit.