Pünktlich um 8 Uhr steht eine Gruppe Innenarchitektur-Studierenden bereit. Im Innenhof von Bau 8 an der Hochschule für Technik Stuttgart. Drei Wochen lang. Dresscode: Blauer Anton. Sie verbringen ihre Semesterferien auf einer Baustelle, messen, hämmern, klopfen, streichen, schrauben. Das Ziel: Der Bau eines kleinen mobilen Kreativraums für die HFT Stuttgart. Vielseitig einsetzbar, etwa als fahrender Ausstellungsraum. Sein Name: HFTMobil.
Funk-Music der 80er erfüllt den Innenhof vor Bau 8. Der Himmel ist blau, gute Vibes liegen in der Luft. Auf den Fenstersimsen: Holzwinkel, Schleifpapier, Meterstab und Akku-Schrauber. Ein Plan über den Baufortschritt liegt da. Station für Station wird sorgfältig abgehakt.
Für die Studierenden des 2. und 4. Semester, die zum Teil noch nie in einem echten Vorlesungsraum waren, ist das freiwillige Projekt die reine Freude, obwohl sie ihre Semesterferien dafür hergeben: „Wir finden es cool, dass wir so zusammenarbeiten können. Nicht nur per Zoom, sondern auch in der realen Welt,“ sagt eine Studierende. Sie wirken wie eine Gemeinschaft in einer WG. Sie gehen jeden Morgen gemeinsam zum Corona-Test. Sie arbeiten zusammen, sie essen zusammen. Sie grillen abends zusammen. Der Bau schweißt zusammen.
Alles läuft wie am Schnürchen, berichtet der Leiter des Projekts, Professor Jens Betha vom Studiengang Innenarchitektur. Sein Spezialgebiet ist Entwurf und Konstruktion. Von der ersten Idee bis zum Bau sind 18 Monate vergangen. Über 13 Entwürfe sind entstanden, bis sich das Team für eine Version entschieden hat.
Das Projekt setzt Jens Betha von A bis Z mit Studierenden um. Der Prozess braucht Zeit, bis alle mit dem Resultat zufrieden sind. Viele 3D-Visualisierungen wurden in den letzten Monaten durchgeführt. Vor allem auch mit Hilfe der studentischen Hilfskräfte Sibel Mehmedov und Lukas Krull.
Nun ist es eine Holzkonstruktion geworden, ausgestattet mit schwarz gebeizten Platten. „Black Beauty“, scherzt Jens Betha und meint den gleichnamigen Film über ein schwarzes Pferd.
Die gründliche Planung zahlt sich aus, denn der Bau schreitet rasch voran. Schon nach der ersten Woche steht das HFTMobil in seinen Grundfesten: 6 Meter lang, rund 2,50 Meter breit, auf einem Fahrgestell mit dicken Reifen. Im Prinzip ist es ein Anhänger, der mit einer Anhängerlast von max 3,5 Tonnen von einem PKW, einem Transporter oder SUV gezogen werden kann.
Dass das Projekt realisiert wird, ist möglich mit der Unterstützung durch das M4-LAB der HFT-Stuttgart im Rahmen der Bund-Länder-Förderinitiative Innovative Hochschule. Das Kreativraum-Konzept des M4_LAB und die Zusammenarbeit mit dem Transfer-Projektes empfindet Jens Betha als Glücksfall für die Hochschule. Auch das HFT Mobil gehört– als mobile Einheit – zum Kreativraum-Konzept.
Studierende, Mitarbeitende oder Forschende können damit etwa zu Messen fahren oder zu Festivals und anderen öffentlichen Veranstaltungen, um ihre Arbeiten zu präsentieren. Es kann auch ein Vehikel sein, um den Dialog mit anderen zu suchen, außerhalb der Hochschule, um sich mit Bürger:innen, Kommunen oder Unternehmen auszutauschen und zu vernetzen. „Das HFTMobil kann als „Showroom“ eingesetzt werden oder als „mobile Vitrine“, als Mini-Kino, Lern- und Begegnungsraum. Vieles ist möglich, vielleicht auch für ein Event als DJ-Kanzel, meinen die Studierenden.
Im Inneren des schwarzen Raums funkelt es. Der komplette schwarze Innenraum ist mit kleinen runden Teilen aus Messing bestückt, was ihm einen Edel-Look gibt. Muffen nennt man die Teile. Mühsam haben die Studierenden Muffe für Muffe ins schwarz gebeizte Holz geschraubt. Am Ende glitzern 1500 Stück von allen Wänden.
Die Muffen sehen nicht nur schön aus, sie haben vor allem eine Funktion: Die Gewindeeinsätze aus Messing ermöglichen, dass Möbel modular befestigt werden können. Regale, Schränke oder sogar auch ein Waschbecken könnten dort ein- und wieder ausgehängt werden – ohne großes Werkzeug. Jede Nutzer:in kann sich den Raum einrichten, wie es beliebt. Jens Betha demonstriert, dass nur ein kleiner Schlüssel genügt, eine so genannte Rändelschraube, um Regale anzubringen – mit Leichtigkeit. Auch Pixel aus Holz, die schon in verschiedenen Kreativräumen innerhalb der HFT Stuttgart im Einsatz sind, können genutzt werden.
Das HFTMobil ist vor allem auch nachhaltig mit Materialen aus der Region gebaut. So kommt das Fichtenholz aus dem Schwarzwald. Es ist mit Schafswolle gedämmt. Und auf dem Dach wird noch eine Photovoltaik-Anlage installiert sowie ans Heck des Anhängers ein Ladegerät für E-Bikes. Damit könnte das HFT Mobil, das dauerhaft auf dem Geländer der HFT Stuttgart stehen wird, eine öffentliche Funktion erhalten: als E-Bike-Lade-Stelle für den gesamten Campus, so Jens Betha.
Während der gesamten Bauzeit von drei Wochen klettern die Studierenden vom Innenhof in die Werkstatt von Bau 8 durchs Fenster und gehen dort ein und aus. Durch die großen Glasscheiben sieht man schon alles, was das Herz von Innenarchitekt:innen begehrt. Ein ganzer Maschinenpark zur Holzbearbeitung und Werkzeug für alle denkbaren Fälle. Und dazu gibt es noch die Beratung durch die Techniker und Schreiner der Werkstatt. Jürgen Aldinger (Koordination Innenarchitektur), Romano Bianchi, Willi Mauch und Holger Bitterberg begleiten die Studierenden in allen Bauphasen und gehen zur Hand. Auch sie sind Teil der Gemeinschaft. „Sie sind für solche Projekte unverzichtbar“, betont Jens Betha.
Während der drei Wochen wuselt es auf der Baustelle. Immer wieder kommt Besuch vorbei– von Studierenden und Professor:innen aus anderen Fachbereichen und vom M4_LAB, Leitungen und Mitarbeitende, die das Bauteam mit Kuchen und Hefezopf versorgen. Und mit Gedanken-Futter.
So gibt der Kommunikationsdesigner Hans-Jörg Seidler vom M4_LAB gemeinsam – mit Prof. Jens Betha – an einem Nachmittag einen Workshop zur Fassadengestaltung des HFT Mobils. Nach einer Einführung zu den Funktionen des Designs, erarbeiteten die Studierenden in Teams vier spannende Entwürfe. Was am Schluss noch aussteht, ist die finale Umsetzung und Gestaltung der Außen-Fassade.
Philipp Kleiber, der im M4_LAB unter anderem die sozialen Medien und den Bereich Video betreut, filmt und fotografiert im Team mit zwei Studierenden während der ganzen Bauzeit. Sie füttern die Sozialen Medien. Alles, was auf der Baustelle passiert, ist auch Teil eines Kommunikations-Projektes. Ein Film soll entstehen.
Das neue Semester beginnt mit dem ersten Einsatz des HFTMobil. Es steht Ende Oktober/Anfang November vor der Liederhalle, wo die Designmesse blickfang stattfindet. Studierende stellten dort ihre Arbeiten aus, einzelne Möbelstücke und Modelle.
Wollt Ihr selbst auf der Baustelle vorbeischauen? Dann schaut euch auf Instagram das Story Highlight "HFT Mobil" an.