Wie können einerseits mehr Erneuerbare Energien genutzt und gleichermaßen die Kosten für die einzelnen Haushalte geringgehalten werden? Das 2016 gestartete und sich nun in der Endphase befindliche EU-Forschungsprojekt Sim4Blocks befasst sich mit genau dieser Frage und sucht die Lösung in Bezug auf Gebäude und deren Bewohnerinnen und Bewohner.

Über viereinhalb Jahre wurden dazu innovative Lastmanagement-Systeme an drei Standorten in Deutschland, Spanien und in der Schweiz getestet. Hierbei werden natürliche Schwankungen der Erneuerbaren Energien berücksichtigt, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher ihren Elektrizitätsverbrauch dem Angebot anpassen können. Am Projekt beteiligte sich ein Konsortium aus 17 europäischen Partnern. Im September 2020 fand der feierliche Projektabschluss in Wüstenrot, dem deutschen Pilotstandort, statt.

Im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung mit Ansprache durch den Bürgermeister Timo Wolf wurden interessierte Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinde, Gemeinderatsmitgliedern und einer Vertreterin des baden-württembergischen Landtags die Projektergebnisse und die Bedeutung dieser für die Bürgerinnen und Bürger Wüstenrots vorgestellt. Ein geführter Rundgang im Anschluss durch die Plusenergiesiedlung Vordere Viehweide veranschaulichte die Projektarbeit.

Innovatives Lastmanagement: Zweck und Bedeutung

Sim4Blocks ist ein Forschungsprojekt, das aus dem Förderprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union finanziert wird. Im Rahmen von Sim4Blocks werden innovative Lastmanagementverfahren für private und gewerbliche Nutzung entwickelt. Im Projekt werden dezentrale Energiemanagement-Technologien zur Lastregulierung auf Quartiersebene verknüpft. 

Warum ist Lastmanagement nötig und was bedeutet es? Wechselspannungselektrizitätsnetzemüssen mit gleichbleibender Frequenz betrieben werden. In Europa beträgt sie 50 Hertz. Dies geschieht, indem Stromangebot und -nachfrage im Gleichgewicht gehalten werden. Als Elektrizität fast ausschließlich aus fossilen Quellen und Kernenergie gewonnen wurde, war dies ohne Schwierigkeiten möglich. Die bereitgestellte Energie konnte ohne größeren Aufwand durch das An- und Ausschalten von Kraftwerken an die  Nachfrage angepasst werden, so dass die Netzfrequenz konstant blieb.

Durch den Ausbau von Erneuerbaren Energien (EE) entsteht hierbei jedoch ein Ungleichgewicht, da diese Energiequellen natürlichen Schwankungen unterliegen. Gleichwohl ist der weitere Ausbau von EE ein maßgeblicher Standpfeiler der europäischen und deutschen Klima- und Energiepolitik um dem menschengemachten Klimawandel entgegenzuwirken. So wurde für Deutschland im Rahmen des „Klimaschutzplan 2050“ beschlossen, den Ausbau der EE von einem Anteil von 40% am Bruttostromverbrauch im Jahr 2019 auf einen Anteil von 65% bis 2030 voranzutreiben.

Intelligente Vernetzung und angepasste Nachfrage

Daraus ergibt sich das Problem, dass der stetige Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung schon heute das Stromnetz vor Herausforderungen stellt. Einem häufigen Abschalten von erneuerbaren Energieerzeugern zu Spitzenlastzeiten und unverhältnismäßig hohen Investitionen in den Netzausbau kann der Einsatz von intelligenter Vernetzung (Smart Grid) und eine Anpassung der Energienachfrage an das Energieangebot, dem sogenannten Lastmanagement, entgegenwirken. Dabei passen Konsumentinnen und Konsumenten ihren Stromverbrauch an die zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbare Energiemenge an. In der Regel bedeutet dies eine Verschiebung des Elektrizitätsverbrauchs weg von Zeiten mit geringer erneuerbarer Energieerzeugung hin zu Zeiten, an denen mehr Leistung zur Verfügung steht, also z.B. wenn der Wind weht. Die Verbraucherinnen und Verbraucher übernehmen damit eine aktivere Rolle im Betrieb des Stromnetzes.

Im Projekt Sim4Blocks haben Forschende die Lastmanagement-Systeme und -Dienste an drei Pilotstandorten in Deutschland, Spanien und in der Schweiz getestet. Ein besonderer Fokus lag auf dem Lastmanagement mittels Wärmepumpen. Wärmepumpen bieten aufgrund ihrer Effizienz eine ideale Schnittstelle um den Stromsektor mit dem Wärmesektor („Power-to-Heat“) zu verbinden. Ziel war es auch, Schnittstellen zu entwickeln, die eine intuitive Nutzung ermöglichen. Grundsätzlich wurde ein Fokus auf Quartiere mit Niedrigenergiehäusern, verschiedenen Energieversorgungssystemen und einer Infrastruktur, die das Testen von Lastmanagement-Strategien ermöglicht, gelegt.

Standort Wüstenrot (Deutschland)

In der ländlichen Gemeinde Wüstenrot wurden Wärmepumpen zusammen mit einem kalten Nahwärmenetz und einem großflächigen Geothermie-Kollektor (Agrothermie) untersucht. Ziel dabei war es u.a., den Eigenverbrauch des durch Photovoltaik selbst erzeugten Stroms und damit die Stromkosten der Bewohnerinnen und Bewohner zu senken. Ein weiteres Ziel war es, die einzelnen technischen Hürden zur Realisierung eines virtuellen Kraftwerks, also einem Zusammenschluss von einzelnen Verbrauchern und Erzeuger, zu untersuchen.

​​​​​​​Standort St. Cugat (Spanien)

In Spanien (St. Cugat nahe Barcelona) wurde im Sim4Blocks-Projekt ein Büro- und Wohngebäudekomplex untersucht. Dieser deckt unterschiedliche Nutzungszwecke vom Dienstleistungsgewerbe bis hin zum sozialen Wohnungsbau ab. Dabei wurde Lastmanagement für die Heiz- und Kältetechnik betrieben. Die Bewohner wurden zusätzlich durch eine eigens entwickelte App motiviert sich an flexiblen Stromtarifen zu beteiligen.

Standort Naters (Schweiz)

In der Schweiz (Naters nahe Brig) wurde ebenfalls ein kaltes Nahwärmenetz mit dezentralen Wärmepumpen und Grundwasser als Wärmequelle ähnlich wie am Standort Wüstenrot untersucht. Ziel war in diesem Teil des Projekts auch eine Entwicklung von kostengünstigen Komponenten zur Wärmepumpensteuerung für Lastmanagement, um bezahlbare Nachrüstlösungen im Bestand ermöglichen zu können. Zusätzlich wurde hier ein aggregierter Betrieb zusammen mit einem Aggregator-Unternehmen, also jemandem, der einzelne Verbraucher und Erzeuger fernsteuert und sie zu einem Virtuellen Kraftwerk bündelt, umgesetzt.




 

Veröffentlichungsdatum: 28. September 2020
Von Sarah Larsen-Vefring (sarah.larsen-vefring@hft-stuttgart.de) , Marcus Brennenstuhl (marcus.brennenstuhl@hft-stuttgart.de)