Was hat Sie, liebe Frau Sohn, lieber Herr Coors, dazu bewogen, sich für diese neuen Ämter zu bewerben?
Sohn: Mich hat der Prozess des StEP sehr angesprochen. Er wurde bottom-up durchgeführt, das hat mich stark beeindruckt. Die HFT Stuttgart hat sich nicht nur auf Ziele geeinigt, sondern sich auch zu gemeinsamen Maßnahmen durchgerungen. Ich habe mich von Anfang an aktiv an diesem Prozess beteiligt, beispielsweise als Leitende der AG Hochschulkultur und Campusgestaltung, aber auch als Prodekanin in der Fakultät Architektur und Gestaltung. Und so ist bei mir der Wunsch und die Entscheidung gereift, auch in verantwortlicher Stelle die Hochschule dabei zu unterstützen, den StEP umzusetzen.
Coors: Ich beschäftige mich schon länger mit der angewandten Forschung unter den immer noch schwierigen Rahmenbedingungen und nehme gerne die Herausforderung an, den Status Quo in diesen Bereich weiter auszubauen bzw. zu halten. Die HFT Stuttgart ist eine der drittmittelstärksten Hochschule in Baden-Württemberg. Mit dem erst kürzlich gewährten Promotionsrecht erhalten wir eine tolle Chance, diesen Bereich weiterzuentwickeln. Und da ich von Haus aus Informatiker bin, liegt mir Digitalisierung sozusagen im Blut.
Sie beide begleiten den Weg der HFT Stuttgart schon viele Jahre. Wie beurteilen Sie unsere Positionierung in Stuttgart, in der Region?
Sohn: Die HFT Stuttgart ist als Hochschule für Angewandte Wissenschaften eine Hochschule des Machens. Bei uns lernt man in projektorientierter Lehre, wie man vom Plan in die Realisierung kommt. Unsere Stärken sind die intensive Betreuung und enge Bindung zwischen Lehrenden und Studierenden. Wir arbeiten mit vielen Akteuren in der Region zusammen. Wir haben Studiengänge mit einer herausragenden Übergangsquote in den Arbeitsmarkt und befinden uns in einer Wirtschaftsregion, die einen hohen Bedarf an Arbeitskräften hat, die wir ausbilden. Wir sind interdisziplinär und inhaltlich breit aufgestellt. Wir können aus der Hochschule heraus Projekte in Angriff nehmen, die den dringenden gesellschaftlichen und umweltpolitischen Herausforderungen entsprechen, wie zum Beispiel den Klimawandel. Man muss in so einem Prozess aber auch die Schwächen ansprechen. Unsere ist, dass das Profil der HFT Stuttgart zu wenig nach außen sichtbar ist.
Coors: Im Bereich Forschung stehen wir sehr gut da. Wir sind in den vergangenen Jahren zu einer der forschungsstärksten Hochschulen in Baden-Württemberg geworden. Das ist für uns als relativ kleine Hochschule herausragend, vor allem, weil wir auf keine Grundfinanzierung im eigentlichen Sinne zurückgreifen können. Mein Ziel ist es, dieses Niveau bei den aktuellen politischen Voraussetzungen und dem Rückgang finanzielle Ressourcen zu halten. Eine Riesenchance stellt das Promotionsrecht für die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften dar. Dadurch besteht die Möglichkeit, Promotionsvorhaben in Forschungsprogramme zu integrieren, die über Stipendien finanziert werden könnten. Unsere Aufgabe ist es, an der HFT Stuttgart gute Rahmenbedingungen für Promotionen zu schaffen und das Promotionsrecht mit Inhalten zu füllen. Und zu Ihrer Frage, wo wir im Breich Digitalisierung stehen – nun, da würde ich sagen: Im Vergleich zur Forschung stehen wir da noch ziemlich am Anfang. Hier haben wir große Aufgaben vor uns. Digitalisierung bedeutet, dass man Prozesse anpassen muss – und das im laufenden Betrieb. Das ist eine schwierige und langwierige Aufgabe, deren Ergebnisse man nicht sofort auf den ersten Blick sichtbar sind, die aber die gesamte Hochschule betreffen.
Frau Sohn, Ihr Rektorat „Transfer und Klimastrategie“ wurde neu ins Leben gerufen. Die Ziele für Ihr Prorrektorat sind im StEP 2027 formuliert, Zitat: „Bis zum Jahr 2027 haben wir an unserer Hochschule ein Klimaschutzmanagement etabliert, das alle Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsinitiativen strategisch steuert und zum Erfolg führt.“ Welche Schwerpunkte werden Sie setzen?
Sohn: Ein ganz wichtiger Punkt ist die Verankerung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit als Inhalte in der Lehre und zwar in Zusammenarbeit mit den Studiengängen. Meine Aufgabe wird es auch sein, die Einrichtung eines Zentrums für Klimaschutz und Ethik voranzutreiben. Ein Bereich des Zentrums wird das Umweltmanagement sein, hier gibt es für die HFT Stuttgart noch viele Herausforderungen. Wir haben im StEP zudem beschlossen, einen gemeinsamen ethischen Orientierungsrahmen zu stärken. Klimaschutz ist unweigerlich eingebettet in die Fragen der Ethik. Die einen verstehen zum Beispiel unter Klimaschutz, noch mehr und noch ausgeklügelter Technik einzusetzen, um Ziele zu erreichen. Andere wollen Wachstum drosseln, fordern Genügsamkeit. Wir streben an, verschiedene Klimastrategien immer wieder vor dem Hintergrund eines ethischen Orientierungsrahmen zu reflektieren. Gerne werde ich auch weiterhin studentische Projekte mit Nachhaltigkeitsanspruch unterstützen und stärken, wie „HFT goes green“ oder das „Café cre8“. Zudem gibt es an der HFT Stuttgart einen erheblichen Sanierungsstau, der dringend und unter Nachhaltigkeitsaspekten angegangen werden muss. Transfer ist das zweite Thema meines Prorektorats. Den Dialog mit der Gesellschaft, mit Bügerinnen und Bürgern, und den “strahlenden Campus” voranzutreiben, ist mir wichtig.
Sie, Herr Coors, übernehmen das Prorektorat „Forschung und Digitalisierung“, dass das Prorektorat mit der alten Bezeichnung „Wissenschaft und Forschung“ ablösen wird, das bislang Prof. Dr. Worfgang Huep inne hatte, der Ende Februar 2023 in den Ruhestand gehen wird. Als übergreifendes strategisches Ziel wurde im STEP 27 folgendes festgelegt, Zitat: „Bis zum Jahr 2027 generieren wir mit Forschung und Transfer einen substanziellen gesellschaftlichen Wertbeitrag und wirken als Innovationstreiber für die Region und darüber hinaus.” Welchen Weg werden Sie gehen, um diese Ziele zu erreichen?
Coors: Transfer war schon immer ein wichtiger Teil unserer Forschung. Wir werden diesen in Richtung Wirtschaft und Lehre verstärken. Wir brauchen auf alle Fälle besser strukturiertere Kennzahlen, die unsere Leistungsfähigkeit abbilden, um das, was hier an der HFT Stuttgart geleistet wird, nach außen sichtbarer machen. Zudem ist es mir ein Anliegen, dass wir uns viel stärker und enger mit regionalen Akteuren vernetzen, zum Beispiel mit der Stadt Stuttgart. Wir stehen alle vor den gleichen Herausforderungen. Ich könnte mir vorstellen, ein Zentrum für urbane Transformation einzurichten, wo sich Bürger:innen über unsere Forschung informieren können, und die Stadt mit der Hochschule an den Herausforderungen der Metropolregion für morgen gemeinsam Hand in Hand arbeitet.
Ihre Arbeit beginnt am 1. März 2023. Sie kennen die Hochschulen und die Strukturen sehr gut. Was werden Sie an Unterstützung benötigen, um Ihre Ideen umzusetzen?
Sohn: Um den ambitionierten StEP umzusetzen, brauchen wir eine Hochschulkultur, die von einem intensiven Austausch unter- und miteinander geprägt ist. Diesen wollen wir in Form von themenbezogenen und offenen Begegnungsformaten stärken. Wenn wir uns auf den Transferinhalt einigen, wird es leicht sein, ihn nach außen zu tragen. Wichtig ist es, dass wir uns als Community untereinander besser kennenlernen und alle Hochschulangehörigen abholen. Ein wichtiger Teil des StEP ist die Stärkung der Partizipation und der Weiterbildungsmöglichkeiten aller Hochschulmitglieder. Entscheidungsprozesse an der HFT Stuttgart werden bereits demokratischer und transparenter. Es muss auch möglich sein, über Fehler bzw. das, was nicht so gut gelaufen ist bzw. läuft, zu sprechen. Kurz: Um die Ziele umzusetzen, wünsche ich mir, dass wir alle gemeinsam den aufgezeigten Weg gehen und diesen konstruktiv und kritisch begleiten.
Coors: Dem kann ich nur beistimmen. Wir brauchen die Unterstützung und das Vertrauen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Veränderungen sind mit Aufwand und Arbeit verbunden. Um unsere Ziele zu erreichen, müssen viele HFT-Mitarbeiter:innen ihre Komfortzone verlassen. Das muss man offen ansprechen. Gerade das Thema Digitalisierung betrifft viele Schnittstellen an der Hochschule. Wir sind drauf angewiesen, dass alle mitmachen, Fakultäten wie auch Verwaltung, und dass wir alle gemeinsam auf dem langen Weg durchhalten.
Sohn: Die Herausforderungen und der angedeutete lange Weg bis an Ziel können sehr gut gelingen, wenn wir die Wertschätzung für Projekte und Leistungen sowie für die Mitarbeiter:innen, die dahinter stehen, aufbringen.
Ihre beiden Prorektorate greifen inhaltlich ineinander – Forschung braucht den Transfer, Klimastrategie die Digitalisierung. Wie werden Sie zusammenarbeiten?
Sohn: Uns ist bewusst, dass es bei unseren Prorektoraten viele Überschneidungen geben wird. Wir werden auch weiterhin viel miteinander sprechen, uns austauschen und gut zusammenarbeiten.
Es ist das Jahr 2027 … Vielleicht wurden nicht alle Ziele des Struktur- und Entwicklungsplans bis dahin umgesetzt, doch vieles wurde auf den Weg gebracht. Wo wird unsere Hochschule Ihrer Meinung nach 2027 stehen?
Sohn: 2027 wurden viele Ziele des Struktur- und Entwicklungsplan umgesetzt. Die HFT Stuttgart trägt zu Gestaltung resilienter Lebensräume, zum Klimaschutz, zu smarten Technologien und Prozessen noch mehr bei, als wir das heute tun. Unsere Leistungen sind nach außen hin sichtbar. Wir tragen viel von unserem Wissen in die Gesellschaft hinein und zur Lösung wichtiger gesellschaftlicher und umweltrelevanter Aufgaben bei. Die HFT-Community ist durch den langen Prozess zusammengewachsen, lebt die Kultur der gemeinsamen Werte und geht wertschätzend miteinander um.
Coors: Das Promotionsrecht wurde erfolgreich ausgestaltet, die Zahl der Promotion an der HFT Stuttgart kann sich sehen lassen. Die wissenschaftliche Qualität der HFT Stuttgart hat dadurch eine neue Wertschätzung erfahren. Und wir haben die Zeit bis 2027 verstärkt dafür genutzt, um Studierende, die bei uns promoviert haben, eine professorale Laufbahn an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften zu ermöglichen.