Das Labor Rasand hat als Ziel die Erforschung und Entwicklung von Softwarelösungen für die digitale Lageuntersuchung von Geometrien. Auf diesem Gebiet sollen Forschung und industrielle Praxis vereint werden. Dies bedeutet zum einen, dass die behandelten Fragestellungen an der industriellen Praxis orientiert sind. Alle von uns entwickelten Algorithmen und Datenstrukturen werden in die eigene Software-Bibliothek Rasand integriert und diese soll mittelfristig in der Industrie zum Einsatz kommen. Ein weiteres Ziel von Rasand ist die Ausbildung von Doktorandinnen und Doktoranden in diesem Themengebiet. Es sollen in dem Labor qualitativ hochwertige Forschungsarbeiten entstehen, die die Mitarbeiter:innen zur Promotion führen.
Im Labor Rasand werden Softwarelösungen für den digitalen Prototypenbau erforscht und entwickelt. Bei der Planung eines neuen Fahrzeugs in der Automobilindustrie konstruieren Ingenieurinnen und Ingenieure alle Bauteile zunächst am Rechner. Im sogenannten Digital MockUp werden sie dann, sowohl einzeln als auch im Zusammenspiel, auf ihre funktionalen und räumlichen Anforderungen hin überprüft. Geometrisch ist dabei jedes Bauteil durch eine Menge von Dreiecken gegeben, die seine Oberfläche approximieren. Die Überprüfung geschieht virtuell durch Simulationen am Computer, da der Bau realer Prototypen hohe Kosten verursacht.
Ein wichtiger Aspekt im Digital MockUp ist zu überprüfen, dass die Bauteile keine Kollisionen untereinander aufweisen, d.h. nicht den gleichen Bauraum einnehmen. Die in der Praxis zuhauf auftretenden Kollisionen zwischen Bauteilen weisen den Ingenieurinnen und Ingenieuren in einigen Fällen relevante Fehler auf, die eine konstruktive Veränderung der Bauteile erfordern. Die Mehrzahl ist allerdings für die Ingenieurinnen und Ingenieure irrelevant. Ein häufiges Beispiel sind Kollisionen, an denen Schrauben, Bolzen oder Klipse beteiligt sind. Deren Aufgabe ist es, Bauteile aneinander zu befestigen, und die sich ergebenden Konflikte sind gewollt.
Im Projekt GeoCADUp wird an einer KI-gestützten statischen Klassifikation und Bewertung der Kollisionen zwischen Bauteilen geforscht. Dazu eignen sich neuronale Netze, die auf Basis von Punktwolken oder Bildern der 3D CAD-Daten arbeiten. Das im Projekt entwickelte neuronale Netz LocALNet erzielt im akademischen Wettbewerb auf dem ModelNet40 Datensatz der Universität Princeton eines der weltweit besten Ergebnisse zur Klassifikation von 3D CAD-Daten auf Basis von Punktwolken. Zur Klassifikation von Kleinteilen, wie Schrauben, Muttern und Klipsen, die sehr unterschiedliche Ausprägungen haben können, wurden auch bildbasierte Netze bereits erfolgreich trainiert.
Die Vermeidung von Kollisionen zwischen Bauteilen spielt auch bei der digitalen Montageplanung eine große Rolle. Dabei muss zunächst eine Montagereihenfolge der Bauteile festgelegt werden. In der sogenannten Pfadplanung wird dann für jedes Bauteil ein kollisisionsfreier Montageweg von seiner Startposition außerhalb des Fahrzeugs zu seiner verbauten Endposition im Fahrzeug gefunden. In der Vergangenheit wurden in Rasand geometrische Algorithmen zur schnellen Kollisions- und Toleranzberechnung zwischen Bauteilen und darauf aufbauend zur Pfadplanung für 3D CAD-Daten entwickelt und implementiert. Die Algorithmen zur Pfadplanung sind dabei auf Engstellen spezialisiert, wie sie in einem dicht gepackten Bauraum häufig vorkommen.
Im Projekt Montageplanung wird aktuell die Pfadplanung für reale Bauteile erforscht. Nahe ihrer verbauten Position, im sogenannten Nahbereich, sind Bauteile häufig durch ihre Befestigungselemente, z.B. angegossene bewegliche Klipse, unvermeidbar in Kollision mit ihrer Umgebungsgeometrie. Zudem sind die Befestigungselemente oft für Drehbewegungen bei der Montage verantwortlich. Die im Projekt entwickelte Software berücksichtigt angegossen Befestigungselemente. Keine andere akademische oder kommerzielle Software ist zurzeit dazu in der Lage. Für die auf die Planung im Nahbereich folgende Pfadplanung im Fernbereich werden geeignete Montagepfade zu den Karosserieansprache-Stationen gefunden.
Seit Herbst 2019 ist unsere Montageplanung Teil des Erlebnis-Lern-Trucks Discover Industry, der Schulen in Baden-Württemberg anfährt, um Schülerinnen und Schüler für den MINT-Bereich zu begeistern. Discover Industry ist Teil des Programms COACHING4FUTURE der Baden-Württemberg Stiftung gemeinsam mit dem Arbeitgeberverband SÜDWESTMETALL und in Kooperation mit der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit. In dem zweistöckigen LKW wird an fünf Arbeitsstationen und mehreren Exponatwänden die Arbeitswelt von MINT-Berufen aufgezeigt. An der umgesetzten Exponatwand zum Thema digitale Assistenten lösen die Schülerinnen und Schüler ein Nagel-Puzzle im Wettlauf gegen den Computer.
M. F. Adesso: "Automated Validation of Collisions in the Digital Mock-Up Process of Complex Technical Products", Dissertation, Promotion an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (2023)