Wie wichtig der Strukturwandel im ländlichen Raum ist, das zeigte sich Mitte Juli in der Gemeinde Wüstenrot. An diesem Tag feierte der zum Landkreis Heilbronn zählende Ort die zehnjährige Partnerschaft mit der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT Stuttgart).
Hintergrund ist der vor einem Jahrzehnt eingeschlagene Weg der Gemeinde mit ihren 6.800 Einwohnern in Richtung Klimaneutralität und Mobilitätswende. Oder anders formuliert: zehn Jahre Zusammenarbeit – ein Jahrzehnt des Erfolgs. So geht Energiewende.
Es ist Freitagabend, der 15. Juli 2022 in Wüstenrot. Bestes Sommerwetter, das eigentlich zum Verweilen im Biergarten einlädt oder zum Grillen im heimischen Garten. Eigentlich. Wer denkt an diesem lauen Sommerabend daran, sich in einer Gemeindehalle Festreden und Fachpräsentationen anzuhören. Über 140 Teilnehmende taten genau dies in der örtlichen Burgfriedenhalle, was auf die Aktualität und Brisanz der Themen hindeutet. Denn es ging um die Energiewende, die Mobilität der Zukunft und darum, den ländlichen Raum zu stärken. Große Themen, mit der sich auch eine kleine Gemeinde auseinandersetzen muss. Anders formuliert: Smart Village Wüstenrot heißt die Devise, an der die Gemeinde in Kooperation mit der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT Stuttgart) seit zehn Jahren erfolgreich arbeitet.
Von Zielen, Projekten und dem Energiemanagement der Zukunft
Nur wer sich Ziele setzt, kann diese bekanntlich auch erreichen. „Wir wollen bis 2030 klimaneutral werden“, so Timo Wolf, Bürgermeister von Wüstenrot. Damit ist das große Ziel für die Gemeinde formuliert. Den Weg dorthin beschreitet Wüstenrot zusammen mit der HFT Stuttgart bereits seit einem Jahrzehnt. Was das konkret heißt, das unterstreicht Dr. Dirk Pietruschka, Leiter des Zentrums für nachhaltige Energietechnik – zafh.net, HFT Stuttgart, am Beispiel von „Smart2Charge“. Das Projekt geht unter anderem der Frage nach, wie sich der schnelle Zuwachs an Elektrofahrzeugen, vor allem im ländlichen Raum, auf die Netze auswirkt. „Das ist bis dato nicht im Detail erforscht“, erklärt Pietruschka und führt an: „Im Forschungsprojekt Smart2Charge untersuchen wir genau das hier in der Gemeinde Wüstenrot in detaillierten Simulationsstudien.“ Wissenschaftler Pietruschka umschreibt den schnellen Zuwachs an Elektrofahrzeugen wie den, von Pferdekutschen auf Autos. Seiner Meinung nach gehe es vor allem darum, Strom zu sparen und das reine Stehen von Fahrzeugen mit durchschnittlich 90 Prozent Standzeiten besser zu nutzen. „80 Prozent der Batteriekapazität wird nicht genutzt“, so Pietruschka. Das zu ändern ist eine Aufgabe in der Gemeinde Wüstenrot. Mithilfe einer vorausschauenden Steuerung der Lade- und Entladevorgänge (bidirektionale Nutzung) und deren Vernetzung mit Energiemanagementsystemen auf Gebäude- und Quartiersebene geht es um eine nachhaltige Energienutzung. Eine zukunftsweisende Sicht auf das Energiemanagement der Zukunft.
Wüstenrot: historisch gewachsen, modern aufgestellt
In diesem Zuge fügen sich Thomas Löffelhardts Worte, wonach Wüstenrot „historisch gewachsen, modern aufgestellt“ ist, nahtlos in das Erreichte und Kommende der Gemeinde. Löffelhardt, Technischer Leiter und Energiebeauftragter der Gemeinde Wüstenrot, ergänzt: „Wir holen uns Leute ins Haus.“ Das ist sicher mit Blick auf die gute Zusammenarbeit mit der HFT Stuttgart zu verstehen, zielt aber auch auf die Mobilitätswende im Ganzen und das angestrebte Carsharing der Gemeinde im Speziellen. Löffelhardt möchte Erfahrungen teilen und sieht Wüstenrot und die Nachhaltigkeitsziele als Blaupause für weitere Gemeinden. „Wir sind uns sicher, dass das Ganze auch in anderen Gemeinden funktioniert“, erklärt Löffelhardt und resümiert: „Wir brauchen das Feedback von den Menschen.“ Das wiederum ist greifbar und vermittelt genau das, was für solche Projekte zwingend notwendig ist, nämlich das frühzeitige Einbinden der Menschen in den Gesamtprozess – konkret und ohne Allgemeinplätze.
Apropos. Im Gegensatz zu den Allgemeinplätzen vieler Politiker:innen bei Grußreden beschäftigte sich Susanne Bay (Bündnis 90/Die Grünen) im Rahmen ihrer Rede intensiv mit den Energie- und Mobilitätsfragen rund um den ländlichen Raum. „Wie lebendig Energie sein kann, das zeigt sich in Wüstenrot“, so Bay in Ihrer Rede. Nach Meinung der Regierungspräsidentin des Regierungsbezirks Stuttgart brauche es einen langfristigen Strukturwandel mit Blick auf die Energiewende, aber auch bei der Mobilität der Zukunft. Bay: „Die Klimakrise ist eine Menschheitsherausforderung, aber jede Herausforderung bedeutet auch eine Chance.“ Im Rahmen des Wandels komme ihrer Ansicht nach den Städten und Kommunen eine Schlüsselrolle zu. Und eine dieser Schlüsselrollen übernimmt die Gemeinde Wüstenrot im Schulterschluss mit der HFT Stuttgart seit über zehn Jahren. Fortsetzung folgt.