Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung legt Abschlussbericht vor – An der HFT Stuttgart lehrt und forscht Prof. Dr. Tobias Popovic seit mehr als zehn Jahren auf dem Gebiet „Sustainable Finance”.
Am 25. Februar 2021 legte der Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung nach zweijähriger Arbeit seinen Abschlussbericht mit dem Titel "Shifting the Trillions – Ein nachhaltiges Finanzsystem für die Große Transformation" vor. Es wurde unter anderem der Frage nachgegangen, inwieweit Unternehmen und Finanzmarktakteure in Deutschland und Europa Aspekte der Nachhaltigkeit bei ihren Investitionsentscheidungen berücksichtigen. Des Weiteren wurde ein Maßnahmenpaket sowie ein entsprechender Handlungs- und Umsetzungsbedarf formuliert.
Nach Durchsicht des Berichts begrüßt Prof. Dr. Tobias Popovic, Professor im Studiengang Betriebswirtschaft an der Hochschule für Technik Stuttgart, der ebenfalls bereits seit über zehn Jahren zum Thema Sustainable Finance forscht, dessen Kernpunkte und charakterisiert sie als wegweisend und unterstützenswert. Mit seinem Hauptforschungsthema Sustainable Finance hat sich Popovic in den vergangenen Jahren von einem Exoten in der Finance-Forschung zu einem ausgewiesenen Experten für diese Thematik entwickelt. Welche Schlüsselrolle kommt der Transformation hin zu einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem zu? Für Popovic stand bei seinen Forschungsaktivitäten von Anfang dabei die Frage im Vordergrund, inwiefern der Kapitalmarkt als „Katalysator“ zur Bekämpfung großer gesellschaftlicher Herausforderungen, sogenannter „Grand Challenges“, wie zum Beispiel dem Klimawandel oder zur Erreichung der UN Sustainable Development Goals genutzt werden könnte. Der 2018 von der EU-Kommission initiierte Aktionsplan zur Finanzierung Nachhaltigen Wachstums stellt in diesem Kontext drei übergeordnete Ziele in den Vordergrund: Umlenkung von Kapitalströmen hin zu nachhaltigen Investitionen, Einbeziehung von Nachhaltigkeit in das Risikomanagement sowie Förderung von Transparenz und Langfristigkeit.
Doch wie werden sich geänderte, regulatorische Rahmenbedingungen, wie beispielsweise vom Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung gefordert, auf Strategien und Geschäftsmodelle von Unternehmen auswirken? Werden die darin aufgezeigten, notwendigen Maßnahmen die Wirtschaft auf den Kopf stellen? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Verbraucher*innen? Fragen, denen Popovic mit seinen Lehrschwerpunkten „Corporate and Sustainable Finance“ und „Financial Markets and Services“ und „Corporate Social Responsibility“ schon lange nachgeht. „Man hat erkannt“, so Popovic, „dass der Kapitalmarkt als Hebel für die Bekämpfung des Klimawandels und einen umfassenden Umbau unseres Wirtschaftssystems in Richtung sozial-ökologische Marktwirtschaft genutzt werden kann. Zukünftig werden Banken, Versicherer und Investmentfonds ihre Finanzentscheidungen auch daran bemessen müssen, inwieweit diese Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß haben oder nicht. Das „magische Viereck“ aus Rendite, Risiko, Liquidität und Nachhaltigkeit wird im Finanzmanagement künftig zur Pflicht.“
Das hat Auswirkungen auf jeden von uns. Wer beispielsweise eine CO2-intensive Immobilie erwerben wolle, so Popovic weiter, müsse zukünftig mit höheren Finanzierungskosten als bei einer vergleichbaren Immobilie mit geringerem CO2-Fußbabdruck rechnen. Ebenso ist davon auszugehen, dass bei den Marktpreisen für CO2-intensive Immobilien mit einem Abschlag zu rechnen sein wird. Großen Handlungsbedarf sieht er hinsichtlich einer besseren Verzahnung der Anfang 2021 eingeführten CO2-Bepreisung, auch „CO2-Steuer“ genannt, mit den Ansatzpunkten des EU-Aktionsplans. Bei der Bepreisung entsteht laut Popovic, der ebenfalls Ethik-Beauftragter an der HFT Stuttgart ist, die Notwendigkeit einer Harmonisierung von ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. Soziale Ausgleichsmechanismen, wie sie beispielsweise in der Schweiz oder British Columbia existierten, könnten dazu beitragen, soziale Ungerechtigkeiten zu vermeiden.
Weitere Antworten auf Fragen im Zusammenhang mit diesem Thema werden auch am an der HFT Stuttgart ansässigen Zentrum für Nachhaltiges Wirtschaften und Management (ZNWM) gesucht, dessen Co-Leiter Tobias Popovic ist. Im ZNWM wurden in den vergangenen Jahren unterschiedliche von Landes- und Bundesministerien, Stiftungen und der EU geförderte Projekte durchgeführt. Ein besonderer Fokus lag dabei auf der Finanzierung von Energie- und Mobilitätswende, Nachhaltigkeitsinnovationen, der Finanzierung von nachhaltigen Gebäuden und Infrastrukturen sowie nachhaltigen Versicherungen. Ein Großteil der Vorhaben fand in transdisziplinären Reallaboren, sogenannten Living Labs, statt. Ergebnisse der Forschung fließen auch in diesem Bereich in die Lehre mit ein. So sind Themen und Forschungsergebnisse aus dem Bereich Sustainable Finance nicht nur im Studiengang BWL, sondern auch in den Master-Studiengängen General Management und Smart City Solutions fester Bestandteil der Lehrveranstaltungen.
Exemplarische Ergebnisse mit Bezug zum EU-Aktionsplan zur Finanzierung Nachhaltigen Wachstums und dem EU Green Deal aus den bisherigen Forschungsaktivitäten sind: |
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Innovative Finanzierungslösungen für die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden (diese sind für ca. 40% der CO2-Emissionen in der EU verantwortlich) (Projekte 3% und 3%-Plus) |
Die Entwicklung eines Green Bond-Konzepts zur Finanzierung von energetischen Sanierungen öffentlicher Gebäude in Baden-Württemberg (Projekt EnSign Klimaneutraler Campus) |
Mitwirkung an der Entwicklung des Startups BuildingScout und dessen Mentoring während der hier eingeworbenen BMWi-EXIST-Förderung |
Das von Prof. Prof. Dr. Tobias Popovic und Dr. Dirk Pietruschka (zafh.net, HFT Stuttgart) beim Climathon 2020 betreute Team hat mit der Idee „GreenInvest“ weltweit Platz 1 in der Kategorie „Most Transformative Idea“ erzielt |
Erschließung des Kapitalmarktes zur Finanzierung nachhaltiger Infrastrukturen und erneuerbarer Energien (Projekte Envisage und REWARDHeat) |
Die Entwicklung eines Frameworks für Nachhaltige Versicherungen, inklusive eines Indikatorensystems zur Beurteilung der Nachhaltigkeitsleistung von Versicherungen (gemeinsam mit der Greensurance-Stiftung). Konkrete Ergebnisse zu deutschen Versicherungen sollen hierzu in der zweiten Jahreshälfte veröffentlicht werden (Projekt NATIVE) |
Entwicklung von innovativen Geschäftsmodellen und Finanzierungslösungen an der Schnittstelle von Energie- und Mobilitätswende (Projekte iCity und Smart2Charge) |
Interview mit Tobias Popovic: Mit eigenen Ersparnissen den Klimaschutz finanzieren |