Welches Potenzial hat Augmented-Reality für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)? Wie lassen sich damit verbundene Techniken einsetzen? Das zweite mit der IHK Region Stuttgart durchgeführte Webinar der HFT Stuttgart zum Projekt „SensAR“ behandelte die Themenbereiche Sensoren, Datensicherheit und Lokalisierung. Ein Team aus je drei Professoren und Mitarbeitern erläuterte den aktuellen Stand der entwickelten Tools.
Professor Dr. Dieter Uckelmann, Informationslogistiker an der HFT Stuttgart, erläuterte zu Beginn die Idee hinter dem Projekt SensAR: Die Abkürzung steht für „Vermittlung von orts- und kontextbezogenen sensorischen Daten mittels Augmented Reality“. „Kleineren und mittleren Unternehmen soll so ein leichterer Zugang zum Technologiefeld Augmented Reality ermöglicht werden“, betonte er. Der Ansatz konzentriert sich auf generalisierbare Abläufe, die in vielen Unternehmen vorkommen. Ziel ist es, Mitarbeitende in Unternehmen durch automatisierte Erfassung und digitalisierte Assistenzsysteme zu entlasten.
Der Technologiemarkt hat sich gerade in den Bereichen Funksensoren, Kommunikationstechnologien und Sensornetzwerke stark entwickelt und auch im Internet der Dinge (IoT) und Industrie 4.0 ist dieser Trend zu beobachten. „Es fehlt bisher jedoch ein ganzheitlicher Ansatz, der Forschungsbereiche wie die dynamische Objekterkennung, Ortung, Sensorik und Standards, User Interface (Benutzerschnittstelle) sowie Datenschutz und Datensicherheit vereint“, erläuterte der HFT-Professor.
Die meisten Teilnehmenden informierten sich hauptsächlich über die Möglichkeiten von Augmented Reality. Mit Forschungsanträgen oder Zusammenarbeit mit Hochschulen gab es kaum Erfahrung.
Prof. Jan Seedorf und Max Pengrin starteten mit ihrem Fachgebiet IT-Sicherheit. Sie erläuterten die Vor- und Nachteile einer Verschlüsselung der Daten direkt am Sensor (Datenquelle) mittels „Attribute-Based Encryption (ABE)“. „Durch die Verschlüsselung der Daten direkt am Sensor können die Sicherheit und Übertragungsgeschwindigkeit erhöht sowie gleichzeitig Energiekosten eingespart werden,“ so Seedorf.
Hierbei sind die Zugriffsrechte in der Verschlüsselung mit integriert, die festlegen, wer die Daten lesen darf. Dieser Ansatz ist auch spontan variierbar, neue Nutzer und Restriktionen können einfach angelegt werden. Bei einer klassischen RSA-Verschlüsselung werden die Daten während der Übermittlung verschlüsselt. Da sie aber an der Datenquelle oder dem -empfänger unverschlüsselt vorliegen, seien sie wenig sicher, betonten die Forscher. Weitere Vorteile der ABE-Verschlüsselung liegen in einer deutlich höheren Geschwindigkeit der Datenübertragung und dem Einsparen von Stromkosten.
Kompass, Karten, Leuchttürme und Schrittzähler statt Knoten – im Grunde arbeiten wir wie die alten Seefahrer, nur moderner.
Als zweites Thema stellte Prof Stefan Knauth vom Fachbereich Informatik, Mathematik und Geowissenschaften Anwendungsbeispiele zu Lokalisierung und Ortung in Gebäuden mit einem Smartphone vor. „Kompass, Karten, Leuchttürme und Schrittzähler statt Knoten – im Grunde arbeiten wir wie die alten Seefahrer, nur moderner!“, meinte er.
Bei der Indoor Positionsbestimmung mit dem Smartphone können unterschiedliche Sensoren des Smartphons genutzt werden, weniger geeignet seien dabei bisher Ultraschall und RF Ultra-Wideband.
Im Projekt konzentrieren sich Knauth und sein Mitarbeiter Sabo Sini auf Bluetooth da diese Technologie genauer als zum Beispiel die Ortung über WLAN habe und auch keine Daten etwa zu Google fließen müssen. Mittels der Bluetooth-Positionsbestimmung über „Beacons“ (Sender und Empfänger) können auch typische Industrieumgebungen abgedeckt werden. Hier gibt es größere Herausforderungen durch Stahlträger, Maschinen und häufige Umbauten – mehr als in anderen Umgebungen. Gute Ergebnisse können in Kombination mit hinterlegten Raumplänen und Crowdsourcing-Daten für die automatische Kalibrierung erzielt werden.
Abschließend informierten Prof. Dieter Uckelmann mit Marc-Philipp Jensen über das große Thema des sensorischen Bedürfnisses. In der vorhandenen Datenflut im Industrial Internet of Things (IIoT) stehen enorm viele Daten zur Verfügung. Meist seien sie jedoch nicht für die Nutzerin oder den Nutzer oder als Use-Case (Anwendungsfall) aufgearbeitet, betonten die HFT-Forscher. Daten werden hier mit zusätzlichen raumbezogenen und weiteren Attributen versehen, damit diese kontextbezogen für unterschiedliche User und Fragestellungen gefiltert werden können. „Wir begegnen dem sensorischen Bedürfnis durch das Harmonisieren von IIoT-Datenflüssen, um Informationen einheitlich im Kontext verschiedener Nutzer zusammenzuführen“, erklärte der Informationslogistiker Uckelmann. Hierbei werden industrielle Standards berücksichtigt und in einer einheitlichen Syntax und Semantik vereinheitlicht.
In SensAR wurde ein dynamischer Ansatz des Message Queuing Telemetry Transports (MQTT) gewählt mit Broker und einer virtuellen Bridge-Funktionalität. Dieser ermöglicht auch eine Dynamisierung und Strukturierung der Daten und berücksichtigt auch ein Bandbreitenmanagement. Ziel ist die kontextbezogene Visualisierung der Daten in Augmented Reality-Anwendungen, was am Beispiel der RFID-Messkammer der HFT erläutert wurde.
Im Anschluss an die drei Beiträge diskutierten die Teilnehmer*innen rege über Thema Echtzeitanforderungen und bereits vorhandene, erste Ansätze, Daten direkt auf Chips durch Hersteller verschlüsseln zu lassen. Die Tipps und Anregungen werden vom Projektteam weiterverfolgt, bestenfalls ergeben sich auch neue Ansätze und Kooperationen.
Das Projekt SensAR wird von der Carl-Zeiss-Stiftung mit 750.000 € in der Programmlinie Transfer gefördert. Der Austausch mit Anwendern und Transfer der Ergebnisse hat daher in diesem Vorhaben eine sehr große Bedeutung.