Der Anspruch des Forschungsprojektes ist groß: Alle Bevölkerungsgruppen sollen sich künftig an Stadtplanungsprozessen beteiligen können. Ein Verbund aus der HFT Stuttgart, verschiedenen Hochschulen aus Berlin, Forschungseinrichtungen, dem Virtual Dimension Center (VDC) und der Stadt Fellbach erforscht, wie mit technischer Unterstützung die Beteiligungsprozesse möglichst einfach, anschaulich und zielführend organisiert werden können.
Die Ergebnisse aus dem Projekt Inspirer - „Partizipation in Stadtplanungsprozessen in virtuellen und realen Räumen" - werden unter anderem in Fellbach und Berlin erprobt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt das Projekt mit insgesamt acht Partnern mit einer Summe in Höhe von 1,8 Millionen Euro.
Ein Plan liefert in der Regel keine plastischen Eindrücke. Karten, Bau- und Überblicksplanungen sind für viele Menschen kaum direkt zu verstehen. Wo befindet sich was, welche Höhe hat das künftige Gebäude, wie ist es erschlossen, wie nah rückt die Bebauung an die bestehenden Gebäude und viele weitere Informationen sind zwar auch in solchen Karten enthalten, doch nur für wenige lesbar. Sich einen Bauplan als zukünftiges Gebäude vorzustellen, verlangt nicht nur räumliches Vorstellungsvermögen, sondern auch Erfahrungen und Kenntnisse im Bereich der technischen Zeichnungen.
„Die Kombination von interaktiven geografischen dreidimensionalen Landschaften mit virtueller Realität schafft ein realistisches Bild der Stadtplanungsentwürfe. Die Bürger können per Computer durch den Raum navigieren und sich informieren. Das erzeugte Bild lässt den Plan lebendig werden“, so Professor Dr. Volker Coors, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte Forschung und Geoinformatiker an der HFT Stuttgart. Die Bürger erhalten so umfassende verständliche Informationen, die ihnen eine unmittelbare Beteiligung ermöglichen und sie können auch direkt ihre Wünsche und Anregungen einbringen - ob mit 3-D-Brille, Tablet PC oder daheim am Computer.“
„Die Wirkung von Bauwerken ist auch aus der Vogelperspektive gar nicht realistisch vermittelbar, daher helfen auch kleine Modellbauten, die oft von oben betrachtet werden, nicht unbedingt weiter“, weiß Professor Dr. Christoph Runde, Geschäftsführer des VDCs. Gerade bei den Beteiligungsprozessen im Stadtplanungsbereich stellt sich daher die Frage, wie die Informationen breiter und verständlicher in der Öffentlichkeit verankert werden können.
„Die Beteiligungsprozesse sind frühzeitig vorgeschrieben – doch bei fehlendem Verständnis erfüllen sie nicht wirklich ihren Zweck“, ist Dr. Christoph Pfefferle, Wirtschaftsförderer der Stadt Fellbach, überzeugt. In dem jetzt genehmigten Bundesforschungsprojekt „Inspire“ sollen niederschwellige Beteiligungsprozesse entwickelt werden. Neben zahlreichen anderen Aspekten setzen die Forscher dabei auch auf einen Mix aus virtueller und erweiterter Realität. „Mit virtueller Realität kann ich die fiktive Zukunft als komplette 360 Grad-Simulation darstellen. Erweiterte Realität hingegen bedeutet, dass man die reale Sicht mit Computergraphiken ergänzt: So lassen sich noch gar nicht existierende Bauten in einer Bestandsbebauung darstellen. Ein großartiges Mittel um sofort zu erkennen, ob neu und alt zueinander passen oder eben nicht“, so Pfefferle
„Beteiligung ist mehr als Pläne auslegen – sie setzt Wissen und Verständnis voraus und um dies künftig besser zu vermitteln, setzen wir auf den Forschungsverbund“, führt Fellbachs Oberbürgermeisterin Gabriele Zull aus.
In Fellbach sollen die theoretischen Überlegungen in die Praxis umgesetzt werden. Die Stadt bilde ein sogenanntes Reallabor, in dem diese neuen Beteiligungsprozesse ausprobiert und nach Rückmeldungen aus der Bevölkerung auch weiterentwickelt werden sollen.
Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und wird zu 100 Prozent durch das Bundesforschungsministerium finanziert. Neben Fellbach und Berlin als Reallabore sind das VDC, drei Hochschulen (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Beuth-Hochschule für Technik Berlin, HFT Stuttgart, die Point Cloud Technology GmbH und das Frauencomputerzentrum Berlin beteiligt.
Die Ergebnisse des Projektes werden anderen Kommunen und Institutionen zur Verfügung gestellt. „Wir gehen davon aus, dass das Projekt auf großes Interesse stößt“, sind Coors, Pfefferle und Runde sicher. Grundsätzlich umfasst der Forschungsumfang neben den virtuellen Darstellungen auch weitere technische, ethische, rechtliche und soziale Aspekte der Vermittlung.