Stell dir vor: Was wäre, wenn dein Stadtteil plötzlich viel freie Fläche hätte, weil dort keine Autos mehr parken? Was wäre alles möglich? Würdest du dir einen öffentlichen Grillplatz wünschen? Würdest du gern Boule im Freien spielen? Oder magst du mit anderen eine grüne Oase schaffen? Oder hast du ganz andere Ideen? Solche Impulse erhielten Bürger:innen von Forschenden und Studierenden der HFT Stuttgart am Aktionstag des Labor Nordbahnhof.
„Die wesentliche Frage ist, wie möchten Nachbarinnen und Nachbarn in Zukunft am Nordbahnhof leben?“, erläutern die Initiatorinnen des Aktionstages die Stadtplanerinnen Carolin Lahode und Sarah Ann Sutter. Denn mit dem Bau des neuen Rosensteinquartiers wird sich im Nordbahnhofviertel viel verändern. Auch im Stadtteil "Auf der Prag" und an den Wagenhallen soll vieles ganz neu gedacht werden – partizipativ – gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern. Bis Ende des Jahres 2022 wird sich das Labor Nordbahnhof mit der Entwicklung des Viertels beschäftigen.
Der Aktionstag am 30. Juli gehörte zum Auftakt des Labor Nordbahnhof. Gefördert wird das Projekt vom M4_LAB der HFT Stuttgart im Rahmen der Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule“. Mitarbeiter:innen aus den verschiedensten Disziplinen der HFT Stuttgart machen beim Labor Nordbahnhof mit: Stadtplanung, Wirtschaftspsychologie, Energietechnik, Geoinformatik, Mobilität und Bauakustik.
Für den Sommer-Aktionstag hatten Studierenden und Forschende Ideen und Konzepte entwickelt und verschiedene Stationen aufgebaut, so genannte Realexperimente zu den Themen Akustik, Energie, Mobilität und Partizipation.
Vor allem war es das Ziel, mit Nachbar:innen ins Gespräch zu kommen. So tauschte sich das Team „Mobilität" mit Interessierten über alternative Formen der Nutzung im öffentlichen Raum aus und hatte – nebenbei - eine kleine Grillecke eingerichtet. In einen kleinen Kasten konnte jede Pasant:in Zettel mit eigenen Ideen und Wünsche hinterlassen. Auch Stimmungsbilder fingen die Wissenschafler:innen ein: Die Passanten wurden gebeten auf Plakate bunte Punkte zu kleben - welche Mobilitätsform sie am häufigsten nutzen: Fahrrad, zu Fuß, Auto, Car-Sharing, Bike-Sharing, öffentliche Verkehrsmittel.
Das Team „Stadtbeet2go“ lud in seinem Experimentierfeld zum Gärtnern ein. Hierfür hat es aus Holzkisten ein mobiles Hochbeet auf vier Rollen entwickelt mit einer selbst gefertigten Konstruktion - ein aufgehängter Eimer mit Minischläuchen als Bewässerungssystem. Im Eimer wird Regenwasser für die Bewässerung des Hochbeets gesammelt.
„Wir möchten für einen nachhaltigen Umgang mit Regenwasser mit der Entwicklung des Viertels sensibilisieren", so die HFT-Studentinnen Vera Delfs, Heike Marschall und Charline Girodon. Wenn es an vielen Plätzen im Stadtraum solche mobilen Hochbeete gäbe, wäre dies nicht nur ein Farbtupfer inmitten von Beton, sondern auch eine Gegenmaßnahme zu versiegelten Flächen in der Stadt. Bei starken Regenfällen könnte Regenwasser in den Beeten besser versickern, so der Ansatz der Studierenden. Besucher:innen bekamen Informationen sowie einen Flyer mit Bauanleitung für das Hochbeet in die Hand gedrückt und auch eine Schaufel– damit sie Gemüsepflanzen wie Paprika, Tomaten oder Zucchini gleich selber einbuddeln konnten.
Das Team Akustik – Sound of Nordbahnhof schuf am Aktionstag einen besonderen Magnet für Kinder und Jugendliche. Wie klingt eigentlich das Stadtviertel Nordbahnhof? Sie konnten mit einem überdimensionierten Kopfhörer den verschiedensten Geräuschen des Viertels lauschen. Wie klingt die Tram, die Baustelle, die Fahrradklingel? Wie klingt es, wenn vor einem Gebäude ein Baum den Lärm dämpft? Mit einer Soundbox konnten sich die Zuhörer:innen den eigenen Nordbahnhof-Beat mixen.
Last but not least - das Team Partizipation zimmerte mit Passant:innen einen mobilen Tisch und Stühle zusammen, die vielfältig im Quartier einsetzbar sind. Es handelt sich um flexible Möbel, die in kürzester Zeit umgebaut und an die Umgebung angepasst werden können. Ein Konzept, das in verschiedenen Räumen an der HFT angewendet wird, aber auch auf den öffentlichen Raum übertragbar ist. Solche Möbel wurden bereits mit Unterstützung des M4_LAB für „Kreativräume“ entwickelt. Der Effekt: Mobile Stadtmöbel schaffen Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum, die oft sehr knapp sind – zum Verweilen oder um ein Schwätzchen zu halten.
Gegen Abend mussten die Studierenden wetterbedingt ihre Zelte wieder abbrechen – um viele Anregungen für die weitere Erforschung des Labor Nordbahnhofs reicher. Jetzt wird ausgewertet, welche Anstöße gegeben werden konnten und wie das Quartier mit den Bürger:innen nachhaltig weiterentwickelt werden kann.