Die Vortragsreihe HFT meets IBA präsentiert innovative Lösungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung in der Region Stuttgart

Hitzeperioden im Sommer, starke Niederschläge im Winter – der Klimawandel bedeutet in Zukunft zunehmend eine Herausforderung für Städte und Stadtplanung. Im ersten Vortrag der Reihe von „HFT meets IBA“ ging es daher um „Stadtklima und Grünräume“. Die Hochschule für Technik Stuttgart (HFT) und die IBA‘27 veranstalten gemeinsam eine Vortragsreihe. Architekten, Planer aus den Kommunen, Vertreter der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (WRS) und interessierte Bürgerinnen und Bürger informierten sich über neue Impulse aus dem Bereich Stadtplanung und Forschung. Die Veranstaltung fand am 23. Januar 20 im Das Gutbrod statt, dem Treffpunkt der Region Stuttgart.

Folgen des Klimawandels für die Region

„Klimaschutz war gestern – wir haben als Gesellschaft den Zug verpasst, um hier wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen. Es geht nun um Klimaanpassungsmaßnahmen, die immer dringlicher werden“, sagte Dr. Steffen Wurzbacher, Geschäftsführer des HFT Forschungsschwerpunktes „Energieeffiziente Gebäude und Nachhaltige Stadtentwicklung“, der die Reihe initiiert hat. Die Folgen: Längere Trockenphasen in der sommerlichen Wachstumsperiode und mehr Starkregen in der winterlichen Ruhephase bedeuteten Stress für die Vegetation und Stress für die Pflege der städtischen Grünräume. Erwartet wird auch die Zunahme eher kleinräumiger Überschwemmungen im Bereich der Nebenflüsse des Neckars. Diese haben potenziell zerstörerische Kraft, so die Prognose im Klimaanpassungskonzept der Stadt Stuttgart.

Was kann Stadtplanung gegen Folgen des Klimawandels tun?

Über die Rahmenbedingungen klimagerechter Stadtplanung sprach Dr. Christoph Diepes, Leiter der Stadtplanung der Stadt Hagen. „Klimawandel ist keine Erfindung, Klimawandel ist faktisch.“ Vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten seien Rekorde gebrochen worden, was ansteigende Temperaturen, das Potenzial für Stürme und Trinkwasserknappheit anbelangt. Ein zentrales Problem sei die Erwärmung von Städten, da es aufgrund der dichten Bebauung häufig an Durchlüftungskorridoren mangele.

Jede Kommune könne jedoch selbst in der Bauleitplanung festlegen, ob sie Maßnahmen zum Klimaschutz und Klimaanpassung umsetzen möchte, betonte der Stadtplaner. Viele Städte und Gemeinden hätten hier aber keine konkreten Standards. Diepes empfahl daher, dass sie sich konkrete Standards für ein gesundes Stadtklima setzen sollten.

Standards für gesundes Stadtklima in Stuttgart

Solche Standards gibt es bereits in der Stadt Stuttgart, zum Beispiel beim Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM) und den Stuttgarter Rahmenplan Halbhöhenlagen, erläuterte Rainer Kapp, Leiter der Stadtklimatologie im Amt für Umweltschutz Stuttgart. In der Bauleitplanung, etwa im Rahmenplan Halbhöhenlagen, hat die Stadt Stuttgart rund 50 konkrete Maßnahmen festgelegt, um für Frischluftschneisen und eine abkühlende Infrastruktur zu sorgen. Im Bereich Neckarpark seien zudem Retentionsflächen als Wasserabflussmöglichkeit geschaffen worden. Außerdem wurden autofreie Wege, wasserdurchlässige Beläge, Begrünung von Dächern und Fassaden sowie das Pflanzen von Bäumen planerisch festgelegt. Um die Belastung der Bürgerinnen und Bürger durch den Verkehrslärm zu lindern, versuche man, die Struktur des Baus so zu optimieren, dass auf der lärmabgewandten Seite ruhige Bereich wie zum Beispiel Innenhöfe geschaffen werden.

Im Rahmenplan Halbhöhenlagen werde zudem Wert auf die Durchlüftung des Gebietes mit Kaltluft durch unbebaute Flächen gelegt. So hat die Stadt Stuttgart auch punktuell ein entsprechendes Bauverbot erwirkt. „Wenn man es entsprechend begründet, darf die Kommune bzw. der Gemeinderat dem Stadtklima einen solchen Wert beimessen“, so Kapp. Dies habe auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt, das die Klage von Bauherren auf Erteilung von Baugenehmigungen abgewiesen hatte.

Kapps Fazit: „Wir haben in Stuttgart schon immer Handlungsbedarf und viel Übung, stadtklimatische Belange in die Planung einzubringen.“ Aufgrund der zunehmenden Problematik durch den Klimawandel müsse sich Stuttgart jedoch noch mehr engagieren und besser aufstellen. Wichtig sei es die Politik zu sensibilisieren und die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig durch Bürgerbeteiligungen mit ins Boot zu nehmen. Ohne den Rückhalt der Bevölkerung, die dann selbst klimagerechte Stadtplanung einfordern könne, gehe es nicht.

Innovativer Ansatz: Wasserwiederverwendung

Einen innovativen Vortrag zum Thema Wasserwiederverwendung (Water Reuse) hielt die Ingenieurin Prof. Dr. Sonja Bauer vom Fachgebiet Geodätisches Landmanagement/Amtliches Vermessungswesen der HFT Stuttgart. Sie bezog sich vor allem auf das Projekt „Semizentral“, das an ihrer vorigen Hochschule, der TU Darmstadt, in Zusammenarbeit mit Partnern aus China und Deutschland für schnell wachsende urbane Räume entwickelt wurde. In Teilen Chinas werden bereits Abwässer wiederaufbereitet und für spezielle Zwecke wie die Bewässerung von Grünanlagen, das Kühlwasser industrieller Anlagen, Toilettenspülungen oder die Straßenreinigung verwendet.

Ein Ansatz sei es, getrennte Rohrleitungsnetze für Grauwasser (häusliches Abwasser ohne Fäkalien) und Schwarzwasser (Schmutzwasser aus den Toiletten) bereitzustellen. Dies biete sich auch für spezielle Kreisläufe innerhalb von Stadtgebieten und Industrieanlagen an. So werden etwa in der chinesischen Stadt Qingdao in einem sogenannten „Ressource- and Recovery-Center (RRC)“ Schwarzwasser und Grauwasser in getrennten Modulen geleitet und aufbereitet. Das Grauwasser wird für die Toilettenspülung der angrenzenden Siedlungen und für die Bewässerung der Grünanlagen verwendet. Das Wassereinsparungs-Potenzial liegt etwa bei 30%, kalkulierte Bauer. In Qingdao beträgt der Wasserverbrauch pro Einwohner und pro Tag 109 Liter – zum Vergleich – in den USA sind es 400 Liter und in Deutschland 120 Liter.

Obwohl man in Deutschland von solchen Überlegungen noch weit entfernt sei, könnten die Beispiele aus Asien auch ein wichtiger Impuls für die Zukunft unserer Städte sein, betonte die HFT-Professorin. Keine Lösung könne es jedoch sein, bei Dürreperioden in Deutschland etwa Stadtbäume zusätzlich mit Trinkwasser zu gießen, zumal in einzelnen Städten in Hessen auch das Trinkwasser während des Hitzesommers knapp geworden sei, sagte sie.

Visionäres Konzept: Baubotanik

Visionäre Vorstellungen zur Baubotanik präsentierte Oliver Storz vom Bureau Baubotanik Schwertfeger Storz. Dabei handelt es sich um Mischkonstruktionen aus lebenden Pflanzen und herkömmlichen Bauteilen: Storz zeigte in seiner Präsentation unter anderem Bauwerke, die von Weidenstämme getragen werden und Pflanzen, die zu einer Baukonstruktion verwachsen. Hierdurch sind sie in der Lage, im Laufe der Zeit Trägereigenschaft von Stahl oder Beton zu übernehmen. Die Architekten setzen ihre Projekte in ganz Deutschland um, unter anderem im „Theater Of The Long Now“ auf einer Brachfläche am Stuttgarter Nordbahnhof.

Susanne Rytina, Forschungs- und Wissenschaftskommunikation, M4_LAB (susanne.rytina@hft-stuttgart.de)

Veröffentlichungsdatum: 31. Januar 2020
Von Susanne Rytina (susanne.rytina@hft-stuttgart.de)