Wie können Bürgerinnen und Bürger an der Stadtentwicklung beteiligt werden oder andersherum – wie können sie vielmehr eigene Impulse setzen und die kommunalen Akteure an ihren Ideen beteiligen?
Dass klassische Beteiligungsverfahren in den Kommunen neu gedacht werden, zeigte die Veranstaltung „Partizipatorische Planung“ der Reihe „HFT meets IBA“. Organisiert wurde die Veranstaltung mit hochkarätigen Vorträgen von den Planerinnen Carolin Lahode und Sarah Sutter, beide M4_LAB der HFT sowie Christina Simon-Philipp, Professorin für Stadtplanung und Städtebau und wissenschaftliche Leitung im M4_LAB.
Stephan Willinger vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) erläuterte, dass Bürgerbeteiligung oft nur ein kleiner Baustein in der Stadtplanung sei, der häufig als ungeplant und chaotischer Prozess wahrgenommen werde. An Stelle eines hierarchischen Verständnisses, bei dem die Planung Impulse setzt und die Bürgerschaft Schritt für Schritt beteiligt, könnte ein selbstorganisiertes Handeln von unten treten. Bürgerinnen und Bürger werden damit als „informelle Stadtmacher“ aktiv werden. Als Beispiel führte Willinger das Platzprojekt aus Hannover an. Hier ist ausgehend von einer Initiative von Skatern eine brachliegende Fläche im Gewerbegebiet zu einem Container-Dorf umgestaltet worden. Unterschiedliche Gruppen nutzten die Flächen vielfältig als Kultur- und Freizeitstätte, als Ort für Gründer, Kreative, Künstler und Familien. Gemeinschafts-Projekte entstanden wie eine Nähstube, ein Surfbrettlabor, ein Garten, Kinderbetreuung oder eine Schule für Geflüchtete. Der klassische Planungsprozess sei umgedreht worden: Die Bürgerinnen und Bürger produzierten selbst Ideen und beteiligten die Verwaltung an ihrer Planung für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung.
Auf Augenhöhe
Die Perspektive des Amts für Stadtplanung und Wohnen beleuchtete Martin Holch, Leiter des Sachgebiets Stadterneuerung der Stadt Stuttgart. Mitunter stünden Bürgerinnen und Bürger Beteiligungsprozessen, die von der Stadtplanung moderiert werden, mit sehr viel Skepsis und Misstrauen gegenüber. Seiner Meinung nach fehlt ein Baustein in der Ausbildung von Planerinnen und Planern – Schulung in psychologischen und gruppendynamischen Prozessen. Holch führte aus, dass für Beteiliger und Beteiligte eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe sehr wichtig sei. Vor allem sei die Beziehungsebene wichtig. Beide Seiten sollten an der Zusammenarbeit Freude haben.
Welche Chance bietet die Digitalisierung, um Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen? Die Urban Designerin und Journalistin Rosa Thoneick präsentierte das digitale Partzipationssystem (DIPAS) der Hafencity Universität Hamburg. Dieses wurde in städtischer Zusammenarbeit für die Planung „Kleiner Grasbrook“ eingesetzt. Auf DIPAS können Bürgerinnen und Bürger Fachkarten und Projektinformationen abrufen, auf Wissen zugreifen, selbst Beiträge hinterlassen und viele interaktive Map-Tools in 3D oder 2D-Format nutzen. Dabei ersetze das digitale Tool nicht die gängigen Präsenzformate, sondern unterstütze sie, betonte Thoneick. In Studien mit über 1200 Nutzerinnen und Nutzern und in teilstrukturierten Interviews wurde unter anderem positiv bewertet, dass über die Plattform Ideen an die Verwaltung direkt gerichtet werden können. Digitale Partizipationsveranstaltungen bieten laut Thoneick die Chance, Transparenz zu schaffen, Inklusion zu praktizieren und auch Entscheidungen zu legitimieren. Es gehe vor allem auch um Transparenz, um Vertrauen zu schaffen – digital und analog.
Bürgerinnen und Bürger erhalten Budget für Projekte
Prof. Dr. Julian Petrin, seit 2020 HFT-Professor für Smart City Solutions, zeigte an dem Projekt „Deine Geest“ in Hamburg, wie Beteiligung der Bürger durch so genanntes partizipatives Budgeting im Projekt gefördert werden kann. Ausgehend von einem Budget in Höhe von einer Million Euro, das den Bürgerinnen und Bürgern für das Parkprojekt Horner Geest zur Verfügung gestellt wurde, setzte die Stadt einen Prozess in mehreren Schritten auf. Zuerst wurden Ideen gesammelt, dann 25 Favoriten ausgesucht nach einem bestimmten Voting: Die Hälfte der Stimmen kam von den Bürgerinnen und Bürgern, die andere Hälfte von einer Fachjury. In einer Vertiefungsphase wurden realisierbare Projekte entwickelt und schließlich entschieden, welche Projekte umgesetzt werden. Bürgerinnen und Bürger seien so Miteigentümer dieser Projekte geworden, zum Beispiel einer mobilen Mietküche für Grillen im öffentlichen Raum. Letztlich sei die Rolle der Stadtplanung nicht hinfällig: „Wir sind Designer mit anderen Designern zusammen und ringen um gute Lösungen“, betonte Petrin.
Nach einem kurzen Überblick über die verschiedenen Beteiligungsformate der Internationalen Bauausstellung hatte auch das digitale Publikum in der „Fishbowl“, Gelegenheit, sich in die Diskussion einzubinden. Hannah Pinell von der IBA’27 moderierte. Die Frage, wessen Aufgabe Beteiligung ist und wen es am Ende zu beteiligen gilt, wurde dabei vielfach thematisiert. Sicherlich können nicht alle zu jeder Zeit zum gleichen Thema beteiligt werden. Dennoch sollte in einem Prozess versucht werden, Möglichkeiten zur Partizipation für jede Gruppe zu schaffen. Dazu sei es Aufgabe der Stadtplanung und der Verwaltung, Mittel und Wege zu individueller Beteiligung zu finden, die vor allem eins machen – Spaß an der Sache.