Urbane Windströmungen und Stadtakustik beeinflußen die Ökologie der Stadt und die Gesundheit der Menschen: Diese Themen standen auf der Agenda der fünften Veranstaltung der Reihe zur „LIN Stadt“ (lebenswert, intelligent und nachhaltig) der Forschenden aus dem iCity Netzwerk in Kooperation mit der IHK-Region Stuttgart.

Prof. Dr. Ursula Voß von der Fakultät für Vermessung, Informatik und Mathematik und Professorin für angewandte Mathematik referierte im ersten Block des Expertenpanels über Grundlagen der Strömungssimulation und Fortschritte bei den Workflows für webbasierte Simulationen und Visualisierungen urbaner Windströmungen.

Prof. Dr.-Ing. Berndt Zeitler, stellvertretender Direktor des Instituts für angewandte Forschung (IAF) und Professor für technische Akustik und Bauakustik, stellte im zweiten Block die Forschungen seines Teams zur Charakterisierung, Messung und Prognose von Schallausbreitungen im urbanen Raum vor.

Anschließend an die Expertenpanels hatten die insgesamt 40 zugeschalteten Zuhörinnen und Zuhörer wie gewohnt die Möglichkeit, ihre Fragen und Anregungen in die Runde zu geben.

Die Einführung in den Abend gestaltete Dr. Dirk Pietruschka, Geschäftsführer und selbst aktiv Forschender im iCity-Netzwerk. Die Anwesenden bekamen darin einen knappen Überblick über die Entstehung und die Entwicklung der Forschungspartnerschaft sowie ihre zentralen Forschungsbereiche und strategischen Ziele. Dirk Pietruschka stellte insbesondere die Aspekte einer Stadt in den Mittelpunkt, die sie zu einem nachhaltigen und lebenswerten Ort machen und wie iCity versucht, durch smarte Anwendungen und Produkte die zukünftige Stadtentwicklung dahingehend mitzugestalten.

Urbane Windströmungen – ein wichtiger physikalischer Einflussfaktor in der Stadt

Prof. Dr. Ursula Voß eröffnete das Expertenpanel mit dem Thema urbane Windströmungen. Dabei stellte sie zunächst anschaulich die Bedeutung urbaner Windströmungen als wichtigen Einflussfaktor auf gesundheitliche und ökologische Themen der Stadt heraus. Davon beeinflusst sind Themenkomplexe wie beispielsweise das Mikroklima und davon wiederum abhängig der empfundene Komfort in der Stadt oder der Schadstofftransport durch die Luft. Ursula Voß und ihr Team arbeiten unter anderem in der iCity Partnerschaft daran, die Möglichkeiten urbaner Windströmungssimulationen einem breiten Anwenderkreis zur Verfügung zu stellen. Dafür wurde eine interaktive, browserbasierte Anwendung entwickelt. Diese ermöglicht eine Visualisierung komplexer Strömungssimulationen auf Gebäudeebene in einer 3D-Stadtmodell-Umgebung. Dank kluger Optimierungen der Gebäudegeometrien und optimierter Rechenprozesse können die Datenmengen bei den Berechnungen gesenkt und die Anwendung so auch vielen potenziellen Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung stehen. Durch die Möglichkeiten der unterschiedlichen visuellen Darstellung – zum Beispiel über Punktwolken oder Stromlinien – eignet sich die Anwendung darüber hinaus für unterschiedliche Anwendungsfälle

Übertragbarkeit durch das 3D-Stadtmodell

Das Publikum konnte sich anhand einer Live-Demonstration der Browseranwendung von den Möglichkeiten und der Nutzerfreundlichkeit der Oberfläche überzeugen.

Auf Nachfrage im Anschluss an ihren Vortrag hob Ursula Voß nochmals die Übertragbarkeit ihrer Arbeiten hervor. Die (teil-)automatisierten Prozesse ließen sich im Grunde überall dort anwenden, wo Anwenderinnen und Anwender Zugriff auf die nötigen CityGML-Daten (3D-Stadtmodell) haben. Somit konnte auch die Frage nach einer möglichen Anwendung in der vorbereitenden Stadtplanung bejaht werden. Auf die Frage nach dem konkreten Nutzen gab die HFT-Forscherin einen Ausblick auf die künftige Arbeit mit ihren Modellen. Nachdem das Team in bisherigen Arbeitsschritten den Workflow aufgebaut und optimiert habe, werde sich künftig mit der Simulation konkreter Schadstoffausbreitungen sowie der Simulation von Strömungsverhältnissen bei Kleinwindkraftanlagen im urbanen Raum beschäftigt. Ein weiterer Ansatz, der den interdisziplinären Charakter innerhalb der iCity Forschungspartnerschaft unterstreicht.

Lärm in der Stadt hat viele Facetten

Das zweite Expertenpanel des Abends widmete sich dem Themenkomplex Stadtakustik. Prof. Dr.-Ing. Berndt Zeitler näherte sich dem Forschungsfeld in seinem Vortrag anhand der Bereiche Außenraum, Schalldämmung und Innenraum. 

Zunächst charakterisierte Berndt Zeitler die Möglichkeiten der Erfassung von Lärm im Außenbereich. Dabei greifen die WissenschaftlerInnen auf sehr unterschiedliche Instrumente zurück. Der Vortrag zeigte Impressionen aus der Lärmkartierung des Außenraumes, der Simulation von Schallausbreitungen sowie den verschiedenen Möglichkeiten der Messung von Lärm, beispielsweise über Sensoren des Open Knowledge Labs. Einen weiteren experimentellen Ansatz veranschaulichte er anhand von aktuellen studentischen Arbeiten zur Wahrnehmung von Lärm in der Stadt. Diese setzen auf die Sensibilisierung der Menschen vor Ort für den Lärm in ihrer näheren Umgebung, beispielsweise durch sogenannte Soundwalks. Begleitende Befragungen versuchen die Empfindungen der Menschen zu erfassen. Daraus konnte abgeleitet werden, dass weniger der Pegel, sondern vielmehr die Art der Geräusche ausschlaggebend für eine störende Wahrnehmung von Geräuschen ist. Weiterhin konnte die Bedeutung von Stadtplanung auf die Akustik von Orten verdeutlicht werden, indem aus den Vorarbeiten konkrete planerische Eingriffe abgeleitet wurden, um einen positiven Einfluss auf die lokale Geräuschkulisse auszuüben.

Reduzierung des Schallpegels durch angepasste Materialien und Fenster

Der Bereich Schalldämmung fokussierte auf unterschiedliche Anwendungsfelder an der Gebäudehülle. Dabei wurden passive Maßnahmen zur Eindämmung der Transmission und Schallausbreitung durch die Anpassung von Materialien und der Konfiguration der Gebäudewand, aber auch durch die bauliche Anpassung von Fensterrahmen und von Lüftungsgeräten vorgestellt. Dabei konnten die Forschenden zusammen mit externen Partnern aus der Wirtschaft bereits große Fortschritte machen. Beispielsweise konnte der Schallpegel bei (teil-)geöffneten Fenstern um über zehn Dezibel gesenkt werden, was einer Reduzierung der Lärmwahrnehmung um die Hälfte entspricht. Die weitere Arbeit im Forschungsgebiet wird sich auf die Schallpegelmessung und Schallprognose im urbanen Raum mittels autarker Sensoren-Netzwerke konzentrieren.

Im Anschluss an den Vortrag konnten die Zuhörerinnen und Zuhörer auch auf das eingebrachte Wissen der ebenfalls anwesenden Vertreter der Praxispartner zurückgreifen. Das Organisationsteam von iCity und der IHK freut sich über die rege Teilnahme aus Forschung, Wirtschaft und interessierter Zivilgesellschaft an unseren Seminaren.

Save the Date

Weiter geht es für die „LIN Stadt“ Reihe am 13. Juli 2021. Hinweise und Informationen für die kommende Veranstaltung erhalten Sie zeitnah bei der IHK Region Stuttgart sowie unter https://www.hft-stuttgart.de/forschung/i-city/veranstaltungen#subnavigation

 

Veröffentlichungsdatum: 19. Mai 2021
Von Niklas Uebel (niklas.uebel@iaf.hft-stuttgart.de)